«Das neue CO₂-Gesetz ist besser als behauptet – genügt aber noch nicht»
Am 25. September 2020 hat das Parlament die Totalrevision des CO₂-Gesetzes verabschiedet. Das revidierte Gesetz legt die Ziele und Massnahmen der Schweizer Klimapolitik bis 2030 fest und soll 2022 in Kraft treten. Aus Sicht der Wissenschaft ist das neue Gesetz besser, als verschiedene Seiten behaupten.
Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder und muss nicht mit der Haltung der SCNAT übereinstimmen.
Gegenüber den heutigen Bestimmungen bringt die Revision deutliche Verbesserungen. So hat das Parlament die maximal möglichen Lenkungsabgaben auf Brennstoffen auf 210 Franken pro Tonne ausgestossenes CO2 erhöht. Ab 2023 gelten strenge Grenzwerte für den CO2-Ausstoss von Heizungen.
Eine rasche Einführung solcher Grenzwerte ist sehr wichtig, denn Heizungen haben eine lange Lebensdauer. Je früher bei Neubauten und Renovationen die emissionsärmsten Heizsysteme verbaut werden, desto effektiver lässt sich der CO2-Ausstoss langfristig reduzieren. Das rechnet sich auch wirtschaftlich, sind spätere Umrüstungen doch viel aufwändiger und kostspieliger.
Auch beim Verkehr gibt es Verbesserungen. So setzt das neue Gesetz ein erstes Signal beim Flugverkehr: Mit der Abgabe auf Flugtickets verteuern sich mindestens Billigflüge spürbar. Weiter hat das Parlament die Emissionsgrenzwerte für Personenwagen und Lieferwagen gesenkt und einen Grenzwert für den Schwerverkehr eingeführt.
Beim Verkehr braucht es mehr
Die Massnahmen beim Verkehr genügen allerdings weiterhin nicht, um die angestrebten Emissionsreduktionen zu erreichen. Die Emissionsgrenzwerte für Neuzulassungen können nicht verhindern, dass noch jahrelang Fahrzeuge im Einsatz sind, die diese Grenzwerte massiv überschreiten. Zudem lassen Durchschnittswerte für ganze Neuwagenflotten weiterhin überdimensionierte Autos mit hohem Verbrauch zu. Wer ein Elektroauto kauft, ermöglicht den Kauf eines anderen Autos, dessen Emissionen doppelt so hoch sind wie der Grenzwert.
Kommt hinzu, dass Fahrzeuge mit tieferem Verbrauch oft mehr gefahren werden, weil die Treibstoffkosten pro Kilometer ja geringer sind. Um dies zu verhindern, braucht es eine Verteuerung der fossilen Treibstoffe. Diese sieht das neue CO2-Gesetz zwar auch vor, aber in einem so geringen Umfang, dass davon kaum eine Lenkungswirkung erwartet wird.
Das revidierte CO2-Gesetz allein genügt noch nicht, um die Ziele des Bundesrats und des Pariser Abkommens zu erfüllen: den Ausstoss von Treibhausgasen bis 2030 zu halbieren und bis 2050 im Inland kontinuierlich auf netto null zu senken. Braucht es also ein neues Gesetz? Die Erarbeitung der jetzigen Revision hat bis zum vorgesehenen Inkrafttreten rund sechs Jahre gedauert. Eine neue Revision dürfte ähnlich lange dauern. Damit liessen sich die Emissionen bis 2030 kaum mehr beeinflussen.
Rasches Handeln ist gefragt
Um die Klimaziele auf einigermassen kontinuierlichem Weg zu erreichen, ist vor allem rasches Handeln gefragt. Das revidierte CO2-Gesetz bringt im Vergleich zum alten Gesetz bis 2030 eine zusätzliche Emissionsreduktion von mehreren Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Es ist jedoch nötig, dass der Bundesrat bei der Umsetzung strenge Vorgaben macht. So sollte er von Unternehmen im Gegenzug für die Befreiung von der CO2-Abgabe viel höhere Emissionsminderungen verlangen, nicht nur solche, die in vier Jahren schon rentieren.
Auch die Anforderungen bei den handelbaren Emissionszertifikaten für die grössten Treibhausgasemittenten sollten hoch sein; in der EU zugekaufte Zertifikate sollten dem Auslandanteil des Minderungszieles angerechnet werden. Ausserhalb des CO2-Gesetzes können ebenfalls Akzente gesetzt werden, etwa im Energiegesetz bei der Förderung erneuerbarer Energien, sowie in der Raumplanung, der Mobilität, in der Landwirtschaft, usw. Schliesslich besteht die Möglichkeit, das CO2-Gesetz in den nächsten Jahren punktuell zu ergänzen, wie es schon mit den ersten beiden CO2-Gesetzen geschehen ist.
Das neue Gesetz ist ein wichtiger Schritt. Weitere Schritte müssen folgen, will die Schweiz die Zwischenziele bis 2030 erreichen und in dreissig Jahren CO2-neutral sein.
—
Philippe Thalmann
Professor für Umweltökonomie an der ETH Lausanne und Präsident des Forums für Klima und globalen Wandel (ProClim) der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz
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