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Von der «Seegfrörni» und Klimavariabilität

Bis der Zürichsee zufriert, braucht es viel. Das letzte Mal geschah dies 1963. Trotz geringem Datenbestand zu dieser Zeit können nun solche Ereignisse aus der Vergangenheit mithilfe neuer Temperaturkarten besser beschrieben werden.

Zürich, Seegfrörni 1963. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv.
Image: Comet Photo AG, Zürich / ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv.

Damit der Zürichsee zufriert, müssen viele Faktoren stimmen: Allem voran braucht es etwa -350 Gradtage (im Tagesmittel), also z. B. während drei Monaten Tagesmitteltemperaturen unter -4 Grad Celsius, wobei nur Tage mit negativen Tagesmitteltemperaturen gezählt werden. Solche Werte kommen natürlich nur zustande, wenn sowohl die Minimal- als auch die Maximaltemperaturen ausserordentlich tief sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Temperaturverlauf des vorangehenden Spätsommers. Ist nach einer langfristigen Abkühlung einmal eine dünne Eisschicht vorhanden, begünstigt Schneefall die weitere Eisbildung. Das letzte Mal gab es eine sogenannte «Seegfrörni» (Zürichsee) bzw. «Seegfrörne» (Bodensee) im Januar und Februar 1963. Möglich machte dies eine aussergewöhnlich persistente Wetterlage: Aufgrund eines sogenannten «Omega-Blocking» gab es eine anhaltende Zufuhr von polarer Kaltluft nach Mitteleuropa. Die daraus resultierende Kälte verstärkte diese Wetterlage weiter, es entstand also eine positive Rückkopplung.

Vergangenheit: Zeugenberichte statt Messdaten

Zeugenberichte helfen, solche Ausnahmeerscheinungen aus der Vergangenheit einzuschätzen. So sind in den letzten 750 Jahren insgesamt 26 komplette «Seegfrörnen» vom Zürich- und vom Bodensee dokumentiert. Je weiter ein solches Ereignis jedoch in der Zeit zurückliegt, desto schwieriger wird es, flächendeckende Informationen zur Temperatur zu finden. Aus der Zeit der vorletzten «Seegfrörni» im Jahr 1929 existieren in der ganzen Schweiz nur zehn (Tmax) bzw. vierzehn (Tmin) lückenlose und homogenisierte Messreihen. Aber auch für die letzte «Seegfrörni» 1963 sind die klimatologischen Informationen begrenzt, verglichen mit heute.

Neue Temperaturkarten bestätigen die Kälte

Als Folge der komplexen Topographie gibt es in der Schweiz viele kleinskalige Temperaturmuster, z. B. Föhntäler und Kaltluftseen. Da es zu wenige Messstationen gibt, die solche Muster anfangs des 20. Jahrhunderts zeigen können, stellt sich die Rekonstruktion der «Seegfrörnen» als schwierig heraus. Deshalb braucht es eine Rekonstruktionsmethode, die die räumlichen Informationen aus den langen Stationsreihen mit den Informationen aus dem dichten, modernen Messnetzes verbindet. Mit einer solchen Methode werden die Muster aus einem hochaufgelösten Gitterdatensatz, der aufgrund der rund 100 verfügbaren Stationsmessungen die Temperaturverteilung über die letzten 40 Jahre relativ zuverlässig wiedergibt, extrahiert. In Verbindung mit den einzelnen, längeren Messreihen erhalten wir somit einen monatlichen Datensatz zu Mittel-, Maximal- und Minimaltemperatur, sowie zu Niederschlag bis ins Jahr 1901 zurück, und zwar auf einem regelmässigen Gitter mit Abständen von einem Kilometer. In den daraus erstellten Karten ist die extreme Kälte Anfang beider Jahre 1929 und 1963 gut ersichtlich. Sowohl die Minimal-, als auch die Maximaltemperatur blieben im monatlichen Schnitt von Dezember 1928 bis März 1929 bzw. von November 1962 bis Februar 1963 über der ganzen Alpennordseite unter der Norm 1981-2010. Die Kälte gipfelt jeweils im Januar und im Februar mit negativen Anomalien von unter -5 Grad Celsius.

Kalte Winter auch in Zukunft

Dank dieser Methode und den daraus erhaltenen räumlichen Informationen zum Klima können nicht nur solche Ausnahmeereignisse besser dargestellt werden, sondern auch die Variabilität des Klimas an sich. Die grosse Schwankungsbreite des Klimas brachte in der Vergangenheit immer schon Hitzesommer genauso wie eiskalte Winter. Und auch wenn aufgrund der konstanten Erwärmung des Klimas immer weniger mit solchen «Seegfrörnen» zu rechnen ist wird es auch in Zukunft kalte Winter geben.

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