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Die Welternährung braucht keine Gentechnik?

Das Forum Grüne Vernunft erwidert die These von Brot für die Welt

Brot für die Welt hat einen Bericht veröffentlicht, dessen Aussage lautet, die Welternährung brauche keine Gentechnik. Dafür wiederholen sie die Argumente, die in diesem Zusammenhang immer wieder genannt werden. Das Forum Grüne Vernunft nimmt in einer Erwiderung Stellung zu den Aussagen.

traditioneller Maisanbau Subsistenzlandwirtschaft
Image: Jörg Böthling

These von Brot für die Welt (BfdW): Die Welternährung braucht keine Gentechnik - Eine Erwiderung von Dr. Christel Happach-Kasan.

BdfW gibt Antwort auf eine Frage, die sich schon lange nicht mehr stellt.

Pflanzen, die mit gentechnischen Methoden gezüchtet wurden, tragen seit 20 Jahren zur Ernährung sehr vieler Menschen bei. GV-Pflanzen werden in 28 Ländern auf 181 Millionen Hektar Fläche angebaut (Deutschland hat eine Fläche von 35 Millionen Hektar). Bisher ist von Jahr zu Jahr die landwirtschaftlich genutzte Fläche gestiegen, auf der gv-Pflanzen angebaut wurden. Dies zeigt, dass sich von Jahr zu Jahr mehr Landwirte für den Anbau von gv-Pflanzen entschieden haben. Der Anteil von gv-Pflanzen beträgt bei Soja 82%, Baumwolle 68 %, Mais 25% und Raps 25%. Etwa 18 Millionen Landwirte haben sich für diese Sorten entschieden. Sie haben sich mit dieser Entscheidung bessere Erträge erhofft. Offensichtlich hat diese Hoffnung nicht getrogen, denn sie haben sie im Folgejahr wieder getroffen.

Schon das erste Bild von „Die Welternährung braucht keine Gentechnik“ zeigt, dass „Brot für die Welt“ die enorme Herausforderung nicht verstanden hat, der eine Weltgemeinschaft gegenübersteht, die den Hunger auf dieser Erde besiegen will. Das erste Bild zeigt ein junges Mädchen, das einen Maisacker hackt. Es ist ein gestelltes Bild, denn der Mais müsste gar nicht gehackt werden. Dennoch wirft dieses Bild eine wichtige Frage auf, warum ist das Mädchen nicht in der Schule? Wenn man den Welthungerindex mit dem Anteil der Analphabeten in dem jeweiligen Land vergleicht, stellt man fest, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen einer hohen Rate von Analphabeten und ernstem Hunger. Wer den Hunger bekämpfen will, muss Armut und mangelnde Bildung bekämpfen. Die fortgesetzte Stützung der Subsistenzlandwirtschaft reicht bei weitem nicht aus, den Hunger auf dieser Welt zu besiegen.

Einige weitere Anmerkungen:

1.In Absatz 1 heißt es: „Bis heute stehen keine gentechnisch veränderten Nahrungspflanzen zur Verfügung, die einen höheren Ertrag aufweisen.“ Das trifft zu, ist aber für die Aussage, ob gv-Pflanzen eine Bedeutung für die Welternährung haben, völlig unerheblich. Entscheidend für diese Bewertung ist, ob sie helfen, Armut auf dem Land zu verringern. Prof. Dr. Matin Qaim von der Universität Göttingen hat dies speziell für die Bauern, die Bt-Baumwolle in Indien anbauen, nachgewiesen. Gv- Pflanzensorten helfen, Armut zu überwinden, weil sie im Fall der Bt-Pflanzen (Pflanzen, die resistent sind gegen bestimmte Schadinsekten) dazu beitragen, dass weniger Pflanzenschutzmittel (geringere Kosten) gebraucht werden und die Erträge sicher machen, weil die Ausfälle durch Schadinsekten geringer sind. Die gegenüber Glyphosat toleranten Pflanzen brauchen zur Kultivierung einen deutlich geringeren Aufwand. Das spart ebenfalls Kosten. Landwirte aus den USA haben berichtet, dass beim Anbau von gv-Soja pro Hektar 40 $ gespart werden.

1.Auf Seite 1 heißt es weiter zu den gv-Pflanzen, die gegenüber Glyphosat tolerant sind: „Wasser, Böden und Landbevölkerung sind dadurch umwelt- und gesundheitsschädigenden Pflanzenschutzmitteln verstärkt ausgesetzt.“ Auch in einer Landwirtschaft ohne gv-Pflanzen werden Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Nicht die gv-Pflanzen sind das Problem sondern die mangelhafte Agrartechnik und die mangelnde Bildung der Bevölkerung. Deswegen braucht z. B. Argentinien eine bessere Bildung der Landwirte, eine bessere Agrartechnik und effiziente Kontrollen, dass die Regeln der guten fachlichen Praxis eingehalten werden.

2.Zu Argentinien heißt es: „Auch der Hunger ist geblieben.“ Dieser Aussage widersprechen die Angaben der Welthungerhilfe. Der Welthungerindex in Argentinien ist von 7,7 in 1990 auf unter 5 in 2015 gesunken (S. 20).

3.S. 2: „Hunger ist global gesehen kein Produktions-, sondern vor allem ein Verteilungsproblem.“ Damit die Verteilung verbessert werden kann, ist eine entsprechende Infrastruktur erforderlich. Diese ist gerade in den ärmsten Ländern nicht gegeben und wird auch nicht in Kürze vorhanden sein. Deswegen ist gerade in armen Ländern die Steigerung der Erträge eine wichtige Option für die Ernährung der Bevölkerung. Dafür ist eine Verbesserung der Agrartechnik, bessere Bildung für die Bevölkerung und sind bessere Pflanzensorten – gentechnisch verändert oder auch nicht – erforderlich.

4.Beispiel „Goldener Reis“: S. 2: „Zwar kann an der Dringlichkeit einer Bekämpfung des Vitamin-A-Mangels nicht gezweifelt werden, …. Richtig. Der Goldene Reis wäre eine Möglichkeit, die Versorgung der Bevölkerung mit Vitamin A zu verbessern. Leider haben jedoch Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace und viele andere dazu beigetragen, dass unablässig Hürden gegen seine Zulassung aufgebaut, Anbauversuche zerstört wurden. Besser und im Interesse der armen Menschen wäre es gewesen, wenn die Nichtregierungsorganisationen der reichen Welt die Anstrengungen zur Zulassung des Goldenen Reises unterstützt hätten. Offensichtlich gibt es jedoch Organisationen, denen die Verhinderung des Anbaus des Goldenen Reises deutlich wichtiger ist als die Bekämpfung des Vitamin-A-Mangels in armen Ländern und die dadurch erreichte Verhinderung der Erblindung und des frühen Tods von Kindern. BfdW ist mit diesen Organisationen solidarisch.

5.S. 3 „USA: 20 Jahre Anbauerfahrung“ Spannend ist, was verschwiegen wird: Es wird verschwiegen, dass die Anbaufläche für gv-Pflanzen in den USA kontinuierlich auf inzwischen über 70 Mio. Hektar gestiegen ist. Bei jedem Pflanzenschutz ist das Management von Resistenzen eine große Herausforderung für die Landwirte. Das gilt auch für den Anbau von Bt-Pflanzen. Im Übrigen sei daran erinnert, dass im Rhein-Main-Gebiet seit über 40 Jahren zur Bekämpfung der Mücken von der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnaken (KABS) pro Jahr etwa 250 Tonnen Bt-Präparate ausgebracht werden. Resistenzbildungen sollen keine Probleme bereiten.

6.S. 4 Gesundheit: „Ungeklärt ist weiter die Frage, ob vom Verzehr von GV-Pflanzen Gesundheitsgefahren ausgehen.“ Angesichts von inzwischen 20 Jahren Erfahrung mit gv-Pflanzen kann man wohl kaum davon sprechen, dass es ungeklärt ist, ob Gesundheitsgefahren bestehen. Vielmehr muss doch jetzt festgehalten werden. Es bestehen keine Gesundheitsgefahren. Offensichtlich kann niemand Gesundheitsgefahren benennen. Sicher ist weiterhin, dass Mangelernährung und Hunger den frühen Tod vieler Menschen verursachen.

7.S. 4: „Zudem lässt die Konzentration auf den Anbau nur weniger Pflanzenarten und -sorten die Saatgutvielfalt schwinden.“ Das trifft eindeutig zu. Aber was ist die Lösung? Ist von Landwirten zu erwarten, dass sie Pflanzensorten anbauen, die für den Anbau nicht so geeignet sind wie andere, nur um die Vielfalt zu erhalten? Nein, das ist unrealistisch. Da es gleichwohl sinnvoll ist, die Vielfalt der Sorten zu erhalten, gibt es Samenbanken, zum einen öffentliche wie die im Leibnizinstitut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben sowie private, die von den Pflanzenzüchtern für ihre Entwicklungsarbeiten gehalten werden.

Im Fazit heißt es:

Der Schlüssel für die Hunger- und Armutsbekämpfung liegt in der ländlichen Entwicklung. Das ist richtig. Dafür ist jedoch mehr erforderlich, als „Brot für die Welt“ den Menschen zubilligen will. Dafür ist Bildung besonders wichtig, Bildung für Jungen und Mädchen. Dafür werden bessere Pflanzensorten gebraucht, Beispiel trockenresistenter Mais, der inzwischen in den USA angebaut wird. Dafür ist die Weiterentwicklung der Subsistenzlandwirtschaft erforderlich, damit eine arbeitsteilige Gesellschaft entsteht, in der Menschen verschiedene Möglichkeiten haben, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen – nicht nur die Landwirtschaft.

Aus entwicklungspolitischer Sicht gibt es effizientere, risikoärmere und kostengünstigere Wege gegen den Hunger als die Förderung gentechnisch veränderter Pflanzen. Diese Behauptung hat die Entwicklung der letzten Jahre klar widerlegt.

Weltagrarbericht (IAASTD 2009): Der Bericht ist veraltet. Nur 6 EU-Länder haben sich ihm angeschlossen, Deutschland nicht. Weder das Thema Bildung noch das Thema Mangelernährung werden in dem Bericht angemessen gewürdigt. Der von der Britischen Regierung 2012 herausgegebene Bericht: „The Future of Food and Farming“ zeichnet ein realistischeres Zukunftsszenario und ist deutlich stärker an der Weiterentwicklung der Landwirtschaft zur besseren Ernährung der Bevölkerung orientiert als der stark überschätzte so genannte Weltagrarbericht.

Es gilt somit die Gegenthese:
Gentechnik unterstützt Welternährung

Literatur:
ISAAA Report 2014
Qaim, Matin & Kathage, Jonas: „Economic impacts and impact dynamics of Bt (Bacillus thuringiensis) cotton in India“ Proceedings oft he National Academy of Sciences
11652 – 11656 PNAS July 17, 2012 vol. 109 no. 29.

Bild:
Jörg Böthling, via Brot für die Welt Aktuell 37

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