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«Der Unterricht in den Naturwissenschaften und die Ausbildung der Lehrpersonen müssen mit der Zeit gehen»

Carte blanche für Christina Colberg, Präsidentin des Fachverbands Fachdidaktik Naturwissenschaften Schweiz (DiNat.ch)

Der naturwissenschaftlich-technische Unterricht und die Ausbildung entsprechender Lehrpersonen in der Schweiz müssen sich stärker an den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen orientieren. Dies wird seit zehn Jahren gefordert, geschieht aber immer noch zu wenig.

Christina Colberg
Image: zvg

Der Beitrag gibt die Meinung der Autorin wieder und muss nicht mit der Haltung der SCNAT übereinstimmen.

Die nachhaltige Entwicklung, die Digitalisierung, der Fachkräftemangel in den naturwissenschaftlich-technisch geprägten Berufen und unbefriedigende Resultate in internationalen Schulleistungsstudien haben sowohl international als auch in der Schweiz eine hohe Bedeutung für das Bildungssystem. Um mit diesen Entwicklungen Schritt halten zu können, sind eine solide naturwissenschaftliche Grund- bzw. Allgemeinbildung sowie ein wirksamer naturwissenschaftlicher Unterricht und eine entsprechende Ausbildung der Lehrpersonen notwendig.

Der Fachverband Didaktik der Naturwissenschaften Schweiz (DiNat.ch) setzt sich für eine qualitativ hochwertige naturwissenschaftliche Bildung in der Schweiz ein – vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe und darüber hinaus. Im April 2024 hat der Verband ein Positionspapier zu naturwissenschaftlicher Bildung und Lehrpersonenausbildungveröffentlicht. In diesem beleuchtet er, welchen Anforderungen ein zeitgemässer und lernwirksamer naturwissenschaftlicher Unterricht in der obligatorischen Schule genügen muss, und umreisst die damit verbundenen Herausforderungen für die Ausbildung von Lehrpersonen.

Das Positionspapier richtet sich am Prinzip der Evidenzbasierung und an den aktuellen wissenschaftlichen Leitvorstellungen und Rahmenmodellen für die Lehrpersonenausbildung aus. Es orientiert sich bewusst an den Themen, die in der aktuellen Entwicklung von besonderer Bedeutung sind.

Diskrepanz zwischen Ansprüchen und Wirklichkeit

Erneut ist hier eine Diskrepanz zwischen den Ansprüchen und der Wirklichkeit in der schweizerischen Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen in den naturwissenschaftlich-technischen Fächern zu verzeichnen. Diese Diskrepanz hat DiNat.ch bereits vor mehr als zehn Jahren angemahnt.

Für einen zeitgemässen naturwissenschaftlichen Unterricht und die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern braucht es deshalb nun dringend:

  • Eine konsequente Ausrichtung an forschungsbasierten Prinzipien und Konzepten zur Ausbildung von Lehrpersonen in den Naturwissenschaften. Diese betonen die Verzahnung von Forschung und Praxis sowie die Förderung fachlicher und fachdidaktischer Kompetenzen.
  • Aufgrund des geringen Ausbildungsvolumens für Generalistinnen und Generalisten soll die Ausbildung in der Primarstufe gezielt Schwerpunkte auf den Umgang mit Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern und auf wissenschaftliches Arbeiten setzen.
  • Der Wahlbereich für angehende Lehrpersonen der Kindergarten- und Primarstufen soll ausgebaut werden, so dass eine echte Vertiefung und Profilierung und in der Folge eine Schwerpunktlegung beim Unterrichten möglich ist – analog zur Praxis in den Fremdsprachen oder den gestalterischen Fächern.
  • Es soll sichergestellt werden, dass jede angehende Lehrperson (unabhängig von der Stufe) in den naturwissenschaftlichen Fächern in mindestens zwei Unterrichtspraktika regelmässig hospitieren und unterrichten kann.
  • Das Ausbildungsvolumen für Lehrpersonen der Sekundarstufe 1 soll auf mindestens 60 Credits erhöht werden, um einen naturwissenschaftlichen Unterricht anbieten zu können, der den Anforderungen der Lehrpläne und den Herausforderungen unserer Gesellschaft gerecht wird.
  • Ein Drei-Fächer-Studium für Lehrpersonen der Sekundarstufe 1 soll beibehalten werden. Nur so sind eine Vertiefung in den Integrationsfächern und zusätzlich die fachspezifische Entwicklung von Kompetenzen in den Bereichen Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und Digitalisierung möglich.

Für die Forschung sind folgende Themen besonders wichtig:

  • Die Verankerung von Querschnittsthemen wie BNE und Digitalisierung in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern erhält zu wenig Zeit, obwohl sie für die gesellschaftliche Entwicklung essenziell ist. Modelle und Konzepte existieren, benötigen aber weitere Forschung zur erfolgreichen Implementierung.
  • Unterschiede der Lehrpersonenausbildung in den Sprachregionen sollten konstruktiv genutzt werden. Ihre Auswirkungen auf den Unterricht und auf die Entwicklung der Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern sollten gezielt erforscht werden, um Ausbildungskonzepte zu evidenzbasiert verbessern zu können.
  • Um diese Forderungen in die Tat umzusetzen, bedarf es neben Diskussionen in den fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Communities einer gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung, der sich insbesondere auch die Bildungspolitik stellen muss.

Das genaue Argumentarium und die differenzierte Ausführung der hier skizzierten Forderungen können dem wissenschaftlichen Positionspapier und der Kurzfassung zuhanden der Politik von DiNat.ch entnommen werden.


Christina Colberg ist Präsidentin des Fachverbands Fachdidaktik Naturwissenschaften Schweiz (DiNat.ch) und Dozentin im Fachbereich Natur-, Human- und Gesellschaftswissenschaften der Pädagogischen Hochschule Thurgau.

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