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Gefahrenkarten besser interpretieren

ProClim Flash 73

Hochwasserrisiken wurden bis anhin unterschätzt. Der Schadensimulator des Mobiliar Labs für Naturrisiken zeigt, dass Gebäudeschäden in Gefahrenzonen, in denen nur eine geringe Gefährdung besteht, viel schwerer wiegen, als bisher angenommen.

Mit dem Schadensimulator lässt sich die Entwicklung von Hochwasserschäden in vergleichbaren Gemeinden gegenüberstellen. Z.B. wird in Baar das Schadenausmass bis 2040 leicht zunehmen, in Horgen geht es leicht zurück. In den rot eingefärbten Gemeinden steigt das Schadenausmass, in blau eingefärbten nimmt es ab. (ProClim Flash 73)
Image: schadenssimulator.ch

Text: Kaspar Meuli, Oeschger-Zentrum für Klimaforschung und Rouven Sturny, Mobiliar Lab für Naturrisiken, Universität Bern

2018 startete das Mobiliar Lab für Naturrisiken der Universität Bern eine Forschungsinitiative zu Hochwasserrisiken. In diesem Rahmen haben Forschende ein Online-Tool entwickelt, das zentrale Informationen für eine ganzheitliche Sicht beim Umgang mit Hochwasserrisiken liefert: den «Schadensimulator» (www.schadensimulator.ch).

Das Tool ist als Ergänzung für die Gefahrenkarten gedacht. Denn diese Karten zeigen zwar, wie häufig und wie intensiv Überschwemmungen sein können, doch es fehlen Informationen darüber, was genau gefährdet ist, und wie hoch das Ausmass der Schäden bei einem Hochwasser sein könnte. Diese Lücke schliesst der Schadensimulator, indem er die Gefahrenkarten interpretiert und so das mögliche Schadenausmass bei Hochwassern veranschaulicht.Dieses hängt vom gewählten Szenario ab. Basis für die Berechnung ist ein hypothetisches Hochwasserereignis, das sowohl die gelben, blauen und roten Zonen der Gefahrenkarte überschwemmt. Das mögliche Schadenausmass wird als monetärer Wert angegeben. Es ist nicht mit dem Risiko zu verwechseln, das neben dem Schadenausmass auch die Eintretenswahrscheinlichkeit eines Hochwasserereignisses berücksichtigt.Das mögliche Schadenausmass wird flächendeckend für die gesamte Schweiz modelliert.

Der Simulator basiert auf neuentwickelten Modellen und statistischen Analysen. Sie berücksichtigen neben Überschwemmungsschäden der vergangenen Jahre auch die Lage der Gebäude in den Gefahrenzonen und Informationen zu den Gebäuden. Das Tool stützt sich auf schweizweit verfügbare Daten, darunter die Hochwassergefahrenkarten, den Wert von hochwassergefährdeten Gebäuden sowie Daten von 15 000 dokumentierten Hochwasserschäden.

Der Mehrwert des Simulators für Gemeinden liegt nicht zuletzt bei seiner Benutzungsfreundlichkeit: Mit minimalem Aufwand lässt sich ermitteln, welche Schäden heute auftreten könnten und wie sich das Schadenausmass künftig entwickeln wird – zum Beispiel, wenn die bestehenden Bauzonen überbaut werden. Den Kantonen und dem Bund zeigt der Schadensimulator auf, welche Gemeinden am stärksten von Hochwassern betroffen sind. So lassen sich bei Schutzmassnahmen Prioritäten setzen.

Schäden in gelben Zonen unterschätzt

Forschungsarbeiten des Mobiliar Labs, die auf dem Schadensimulator basieren, zeigen, dass mögliche Schäden in Gebieten, in denen nur eine geringe Hochwassergefährdung besteht – also in den gelben Zonen der Gefahrenkarte – bislang massiv unterschätzt wurden. Denn weil die gelben Zonen oftmals stark überbaut sind, ist die Gesamtschadensumme hier auch im Vergleich mit den stärker gefährdeten blauen und roten Zonen sehr hoch – auch wenn die Schäden bei einem einzelnen Gebäude gering sind. Doch gerade die gelbe Gefahrenzone wird bei der Reduktion von Risiken oft vernachlässigt. So sind hier – im Gegensatz zur blauen Zone – in den meisten Kantonen beim Um- oder Neubau von Gebäuden keine spezifischen Massnahmen gegen Hochwasser vorgeschrieben.

Unterschiedliche Entwicklung des Schadenausmasses

Aufschlussreich sind auch die am Mobiliar Lab erarbeiteten Vergleiche der zu erwartenden Entwicklung der Hochwasserschäden zwischen einzelnen Gemeinden. Dabei zeigt sich beispielsweise, dass das mögliche Schadenausmass in Horgen am Zürichsee bis 2040 im Vergleich zu heute abnimmt. In der wenige Kilometer entfernten Zuger Gemeinde Baar nimmt das Schadenausmass hingegen zu. Grund für diese gegensätzliche Entwicklung der beiden Agglomerationsgemeinden ist, dass in Baar voraussichtlich mehr gebaut wird als in Horgen. Und die Zunahme der potenziellen Schäden durch die Neubauten ist grösser als die mögliche Reduktion der Schäden durch Objektschutzmassnahmen an bestehenden Gebäuden. In Horgen hingegen werden gemäss der Modellrechnung bis ins Jahr 2040 nur vereinzelte Gebäude in den Hochwassergefahrenzonen neu erstellt. Das mögliche Schadenausmass nimmt unter Berücksichtigung von Objektschutzmassnahmen an bestehenden Gebäuden ab.

  • Mit dem Schadensimulator lässt sich die Entwicklung von Hochwasserschäden in vergleichbaren Gemeinden gegenüberstellen. Z.B. wird in Baar das Schadenausmass bis 2040 leicht zunehmen, in Horgen geht es leicht zurück. In den rot eingefärbten Gemeinden steigt das Schadenausmass, in blau eingefärbten nimmt es ab. (ProClim Flash 73)
  • Der Schadensimulator im Praxistest. (ProClim Flash 73)
  • Mit dem Schadensimulator lässt sich die Entwicklung von Hochwasserschäden in vergleichbaren Gemeinden gegenüberstellen. Z.B. wird in Baar das Schadenausmass bis 2040 leicht zunehmen, in Horgen geht es leicht zurück. In den rot eingefärbten Gemeinden steigt das Schadenausmass, in blau eingefärbten nimmt es ab. (ProClim Flash 73)Image: schadenssimulator.ch1/2
  • Der Schadensimulator im Praxistest. (ProClim Flash 73)Image: Hannah Ambühl, ProClim2/2

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