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Mehr optimistische Geschichten!

ProClim Flash 74

Seit drei Jahrzehnten liest man in den Medien über den Klimawandel. Martin Läubli ist Wissenschaftsjournalist und hat hautnah miterlebt und mitgeprägt, wie über dieses Phänomen berichtet wird. Sein Fazit: Es braucht mehr positive Geschichten.

Der Albigna-Stausee: Hier wird Strom aus Wasserkraft und Solarenergie produziert. Dass sich heute Politik und Wirtschaft für den Ausbau erneuerbarer Energien aussprechen, ist unter anderem auch guter Klimakommunikation zu verdanken.
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Text : , Tages-Anzeiger

Es war eine besondere Begegnung im Dezember 2005 in Montreal. Der Mann hiess Matthew Inutiq. Er war ein Inuk und lebte in Arctic Bay, weit nördlich des arktischen Kreises, in einer der kältesten Regionen der Welt. Er wurde an die Klimakonferenz der Vereinten Nationen eingeladen, um die Geschichte seines Volkes zu erzählen: Die Geschichte über das Wetter, das die Einheimischen nicht mehr richtig lesen können, weil der Wind nicht mehr so bläst, wie sie es gewohnt sind. Matthew war für einen Journalisten ein Glücksfall: Er war ein Zeuge des Klimawandels, den die meisten Menschen damals noch nicht unmittelbar wahrnahmen. Dieser Mann spürte die Folgen eines Phänomens, das die Wissenschaft nur mit einer abstrakten, unfassbaren Zahl beschreiben kann: die durchschnittliche globale Jahrestemperatur, die messbar ansteigt.

Klimawandel in den Schlagzeilen

Betroffenheit, Emotionen, Empörung. Das sind Garanten für eine gute Geschichte. Mit ihnen ist eine hohe mediale Aufmerksamkeit sicher. Meldungen über die Abschmelzung der kontinentalen Gletscher und polarer Eisschilde waren und sind zwar immer wieder eine Schlagzeile wert. Die Wissenschaft warnt seit Jahrzehnten vor dem steigenden Meeresspiegel, vor der sinkenden Artenvielfalt, dem zunehmenden Risiko für Dürreperioden und Hochwasser und die damit verbundenen Ernteausfälle. Sie liefert dazu viele Zahlen und Grafiken, Trendrechnungen, Modellergebnisse, Szenarien für die nächsten 50 Jahre – und wissenschaftlich korrekt die dazu gehörenden Unsicherheiten. Doch letztlich sind es Zahlen, die vom Laien viel Vorstellungsvermögen verlangen.

Das Magazin «Der Spiegel» versuchte bereits 1986 mit dem in den Meeresfluten versinkenden Kölner Dom auf der Titelseite die Ergebnisse aus der Wissenschaft emotional umzusetzen. Auch in der Klimaforschung liess man sich dazu verleiten, in den Anfangszeiten der Klimakommunikation Beobachtungen in der Arktis vorschnell dem Klimawandel zuzuordnen. Hochwasserkatastrophen und Hitzewellen wurden zu Vorboten des Klimawandels. Es waren Versuche, einem schleichenden Prozess eine hohe mediale Temperatur zu verleihen. Die Abschätzung der Ungenauigkeiten in den Forschungsergebnissen interessierten dabei nicht. Standardabweichungen hätten die Geschichte nur träge und spröde gemacht.

Unsicherheiten kommunizieren

Aus der Sicht des Wissenschaftsjournalisten war das ein unzulässiger Alarmismus in der Öffentlichkeit. Wissenschaft wurde undifferenziert kommuniziert, Unsicherheiten und Schwächen der Computermodelle ausser Acht gelassen. Nur die apokalyptische Schlagzeile war wichtig. Anderseits zeigten die zugespitzten Geschichten mit dem Warnfinger auch ihre Wirkung. Sie halfen vermutlich, dass 1992 am Erdgipfel in Rio de Janeiro die Klimarahmenkonvention unterzeichnet wurde, das Kyoto-Protokoll 1997 zustande kam und schliesslich 2015 das Pariser Klimaabkommen beschlossen wurde.

Der Empörungsjournalismus hatte aber auch einen Nebeneffekt. Als sich abzeichnete, dass nur eine radikale Abkehr von der fossilen Energie einen bedrohlichen Klimawandel aufhalten kann, bot er Angriffsfläche für jene Kräfte, die sich gegen Verbote durch den Staat wehrten und das Erfolgsmodell fossile Energie in Gefahr sahen. Nun wurden die Unsicherheiten der Klimamodelle ein Thema, der Weltklimarat war jetzt ein Forschungszirkel, der viel zu nahe bei der Politik stand. Die Erinnerung an das Phänomen des Waldsterbens in den 1980-er Jahre wurde zum kommunikativen Vehikel, um der Wissenschaft Manipulation vorzuwerfen. Skeptikerinnen und Klimalügner erhielten in den Medien eine Plattform, weil sie andere Geschichten erzählten, die eben auch Emotionen und Empörung schürten - egal wie wissenschaftlich fundiert die Argumente waren.. Schliesslich wurde die Indizienkette der Wissenschaft immer länger und es konnte schliesslich belegt werden: Der Mensch ist der Hauptschuldige des Klimawandels.

Der Erfolg der Klimakommunikation ist bis heute ortsabhängig. Für Menschen, die direkt betroffen sind, etwa die InselbewohnerInnen im Pazifik oder die Inuk in der Arktis, sind die abstrakten Zahlen aus der Klimaforschung längst Realität. In unseren Breitengraden ging die Sensibilisierungsphase länger. Die Resultate der Klimaforschung wurden lange nicht als Bedrohung empfunden, weil wir die Auswirkungen des Klimawandels nicht im Alltag spürten.

Im Gegensatz zur Corona-Krise, die den Alltag der Gesellschaft auf einen Schlag verändert hat. Die Wissenschaft wurde hier für viele zur Instanz, die uns aus der Krise zu führen vermag. Aber selbst hier sind ähnliche Mechanismen zu beobachten wie beim Klimawandel. Werden die Rechte der Menschen beschnitten, regt sich Widerstand und Verschwörungstheorien machen die Runde. Plötzlich werden die Erkenntnisse der Wissenschaft infrage gestellt.

Positive Geschichten sind gefragt

Dennoch: Die Klimakommunikation der letzten 30 Jahre ist unter dem Strich eine Erfolgsgeschichte. Die regelmässige Berichterstattung über zermürbende Klimaverhandlungen, verheerende Naturkatastrophen und immer zuverlässigere Forschungsergebnisse haben über die Jahre zu einer Sensibilisierung in der Öffentlichkeit beigetragen. Der vom Menschen verursachte Klimawandel wird heute vom grössten Teil der Gesellschaft als Fakt angesehen. Politik und Wirtschaft spricht sich heute für einen Ausbau erneuerbarer Energien wie Wind- und Solarkraft aus. Die Entwicklung nachhaltiger Technologien ist ein Businessmodell geworden.

Das Konzept der Klimakommunikation muss trotzdem überprüft werden. Denn nun geht es nicht mehr nur ums Sensibilisieren, sondern um eine schnelle Verhaltensänderung. In der Politik, in der Wirtschaft, in der Gesellschaft. Es ist nun an der Zeit, dass nicht mehr die wissenschaftlichen Zahlen der Klimaforschung im Zentrum stehen, sondern konkrete Lösungen. Nun sind Erfolgsgeschichten gefragt, aus dem Reich der Wissenschaft, der Technologie und des Alltags. Ein dänisches Radio machte es bereits 2009 während der Klimakonferenz in Kopenhagen vor: Tägliche Stories dokumentierten, was wir im Klimaschutz bereits tun können. Die Gesellschaft muss erkennen, dass der Wind endgültig gekehrt hat und Entscheide für die Nachhaltigkeit nun en vogue sind.

Für die Medien hiesse das: mehr optimistische Geschichten, weniger schlechte Nachrichten. Auch das kann faszinieren, verwundern – und emotionalisieren.

Der Albigna-Stausee: Hier wird Strom aus Wasserkraft und Solarenergie produziert. Dass sich heute Politik und Wirtschaft für den Ausbau erneuerbarer Energien aussprechen, ist unter anderem auch guter Klimakommunikation zu verdanken.
Der Albigna-Stausee: Hier wird Strom aus Wasserkraft und Solarenergie produziert. Dass sich heute Politik und Wirtschaft für den Ausbau erneuerbarer Energien aussprechen, ist unter anderem auch guter Klimakommunikation zu verdanken.Image: EWZ

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