Perspektive Forschung
Vincent Mooser
Département des Laboratoires, CHUV, Lausanne et président de Swiss Biobanking Platform (SIB).
Die personalisierte Gesundheit kann so definiert werden, dass sie spezifische Merkmale einer Person für die Vorhersage, Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten braucht. Die persönlichen Merkmale umfassen biologische Daten (inkl. Gendaten), Bilddaten, Daten von self-tracking oder jede andere Art von Daten, die man unter dem Begriff Biomarker zusammenfassen kann.
Mit anderen Worten, die personalisierte Gesundheit verbindet zwei Bereiche: neue Biomarker und neue Therapien.
Die Medizin war (glücklicherweise) schon immer personalisiert. Was sich heute ändert, sind die neuen Technologien, insbesondere bei der Sequenzierung (DNA, Gene) und in der IT (Big Data). Diese Technologien ermöglichen, dass die individuellen Merkmale einer Person besser dokumentiert werden und somit die Prävention und die Behandlung angepasst werden können. Hinzu kommt, dass neue Therapien entwickelt werden, die diese Biomarker nutzen, um möglichst effektiv zu sein.
Die personalisierte Gesundheit wird die aktuelle Medizin nicht ersetzen. Sie wird sie ergänzen und neue Technologien nutzen, um die Behandlung jedes Einzelnen zu verbessern. In dem Sinne wird es die personalisierte Medizin wahrscheinlich ermöglichen, die Qualität der Gesundheit zu verbessern. Ich bezweifle jedoch, dass die neuen Technologien die Gesundheitskosten senken oder sogar die Wachstumskurve der Gesundheitsbudgets verändern werden.
Die grössten Chancen sehe ich im Bereich der Prävention nicht-übertragbarer Krankheiten. Diese machen derzeit etwa 85% des Gesundheitsbudgets aus. Dazu braucht es jedoch ein System, das die einzelnen Personen darin unterstützt, ihre Gesundheit möglichst lange zu erhalten, bevor eine Krankheit, für welche ein Risiko besteht, ausbricht.
Die grösste Herausforderung besteht meines Erachtens darin, den klinischen Nutzen aller Entdeckungen, die derzeit mit den neuen Technologien gemacht werden, aufzuzeigen. Dazu braucht es klinische Studien. Diese sind auch notwendig, dass Medizinerinnen und Mediziner die neuen Entwicklungen übernehmen können und dass die Kosten durch die Versicherungen gedeckt werden. Momentan ist das Budget für die Entwicklung (nicht für die Entdeckung) und für die klinischen Studien lächerlich.
Eine weitere Herausforderung ist die Akzeptanz dieser neuen Form von Prävention und Behandlung durch die Gesellschaft. Das Aufzeigen von Anwendungen, die bereits heute möglich sind, insbesondere aus der Genomik (Vorhersage des Risikos genetischer Erkrankungen, nicht-invasive Tests zum Nachweis Chromosomenanomalien bei Föten, gezielte Behandlungen in der Onkologie oder die Vorhersage des Ansprechens auf bestimmte Medikamente) ist wichtig. Viel Arbeit ist nötig, um die Bevölkerung, Patienten und das Pflegepersonal aufzuklären und um eine Balance zwischen Chancen und Risiken zu finden.
September 2018