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Erneuerbare Energien im Einklang mit der Natur

ProClim Flash 79

Wie kann die Energiewende biodiversitäts- und landschaftsverträglich geplant werden? Die Akademien der Wissenschaften haben einen entsprechenden Kriterienkatalog erarbeitet.

Visualisierung der geplanten alpinen Solaranlage Tschingel Ost oberhalb von Schattenhalb (BE).
Image: BKW

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Die Folgen des Klimawandels werden immer besser sichtbar. Gleichzeitig wachsen die Bedenken bezüglich der Versorgungssicherheit im Strombereich. Deshalb will die Schweiz dafür sorgen, dass die Nutzung erneuerbarer Energien auch ausserhalb von Bauzonen rasch ausgebaut werden kann. Zwar ist unbestritten, dass Solaranlagen auf Gebäuden das weitaus grösste Potenzial für zusätzliche erneuerbare Stromproduktion darstellen. Da dieser Strom jedoch hauptsächlich im Sommer anfällt, braucht es saisonale Speichermöglichkeiten und Anlagen, die einen grossen Teil der Produktion im Winterhalbjahr liefern. Stauseen sind effiziente Stromspeicher, Windanlagen und Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) über der Waldgrenze liefern einen grossen Teil ihres Stroms im Winter.

Um insbesondere die Produktion von Winterstrom zu fördern, verabschiedeten Bundesrat und Parlament den «Solarexpress» sowie den «Mantelerlass». Letzterem stimmten Schweizerinnen und Schweizer im Rahmen der Abstimmung zum Stromgesetz im Juni 2024 zu. Der «Solarexpress» sieht erhebliche Bundessubventionen und den Wegfall der Richt- und Nutzungsplanung vor für PV-FFA, ist aber zeitlich beschränkt (auf Anlagen, die bis 2025 mindestens teilweise Strom liefern). Er gilt nur bis zu einem bestimmten Umfang der Produktion. Der «Mantelerlass» ist hingegen breiter und längerfristig angelegt. Die Kantone müssen im Richtplan Gebiete bestimmen, in denen die Energieproduktion grundsätzlich Vorrang gegenüber anderen nationalen Interessen hat. Ausserhalb von Baugebieten sind jedoch Konflikte mit Natur- und Landschaftsschutz vorprogrammiert. Es mehren sich die Sorgen, dass dabei die Förderung der Biodiversität und der Landschaftsqualität unter die Räder geraten könnten. Deshalb ist eine sorgfältige Planung umso wichtiger: Wo können solche Anlagen biodiversitäts- und landschaftsverträglich gebaut werden?

Bericht mit breit abgestützten Kriterien

Einheiten der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) haben nun Kriterien entwickelt, um Gebiete zur Produktion von erneuerbaren Energien zu identifizieren, die möglichst wenig Konflikte mit Biodiversität und Landschaftsqualität bergen.1 Beteiligt waren die Energiekommission der Akademien der Wissenschaften Schweiz (a+), das Forum Biodiversität, das Forum Landschaft, Alpen, Pärke sowie ProClim der SCNAT. Zusammen mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und vielen interessierten Stakeholdern wurden diese Kriterien 2022 und 2023 in drei Workshops erarbeitet. Im Bereich der Biodiversität etwa wurde die Vermeidung von geschützten oder schützenswerten Flächen genannt oder bezüglich Landschaft die Bevorzugung von Gebieten, die bereits stark genutzt werden – etwa durch touristische Infrastrukturen oder Energieanlagen.

Aufgrund der neuen Pflicht zur Ausscheidung von Eignungsgebieten in kantonalen Richtplänen besteht bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen ein grosser Informationsbedarf seitens möglicher Anwenderinnen und Anwender. Deshalb wurden für diesen Bereich auch Vorschläge für die Umsetzung dieser Kriterien in konkrete Parameter erarbeitet (mögliche Datensätze, Schwellenwerte etc.). Im April 2024 ist ein Bericht1 mit den Kriterien und dem Umsetzungsvorschlag für PV-FFA erschienen, der auch die Voraussetzungen und Limiten bei der Anwendung erklärt und Kommentare zu strittigen Punkten enthält. Zielpublikum dieser Publikation sind etwa Kantone, die geeignete Gebiete in ihren Richtplänen ausscheiden müssen, oder Energieproduzenten, die neue Anlagen planen.

Räumliche Umsetzung

Die Forschungsgruppe von Adrienne Grêt-Regamey am Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung der ETH bereitet nun die vorhandenen Datengrundlagen auf, um die räumlichen Zielkonflikte darzustellen. Dies geschieht im Rahmen einer «Joint Initiative» der ETH Zürich (SPEED2ZERO), die sich auf verschiedensten Ebenen mit Fragen rund um den Ausbau der erneuerbaren Energien auseinandersetzt, und zweier EU-Forschungsprojekte (MOSAIC und SELINA).

Dabei werden die im Akademien-Projekt erarbeiteten Kriterien und Umsetzungsvorschläge für PV-FFA in einem GIS-System zusammengeführt und können übereinandergelegt werden. Daraus lassen sich wichtige Erkenntnisse gewinnen zum Einfluss der einzelnen Kriterien auf die Auswahl geeigneter Gebiete oder zur Auswirkung unterschiedlicher Gewichtungen der Kriterien auf die Resultate. Anderseits können auch «robuste» Gebiete identifiziert werden, die sich weitgehend unabhängig von der Gewichtung als geeignet erweisen. Auch lässt sich abklären, wie viele konfliktarme Gebiete überhaupt vorhanden sind. Erste Auswertungen zeigen, dass es durchaus geeignete Gebiete gibt für die Energieproduktion mit geringem Konfliktpotenzial bezüglich Biodiversität und Landschaftsqualität. Ob und wie weit diese allerdings zum Erreichen der Ausbauziele erneuerbarer Energien reichen, ist noch unklar. Eine grundsätzliche Herausforderung ist, dass teils wesentliche Informationen und Daten (z. B. zum Ist-Zustand der Biodiversität oberhalb der Baumgrenze) fehlen.

Wie weiter?

Neben der räumlichen Umsetzung der Kriterien plant die Raumplanungsgruppe der ETH auch die Entwicklung eines Tools, das es Anwendenden erlaubt, die Daten räumlich zu kombinieren und darzustellen. Dabei können sie Schwellenwerte oder Gewichtungen selbständig wählen und testen. In einem Workshop im Mai 2024 mit potenziellen Userinnen und Usern aus Kantonen und der Energiebranche sind die Kriterien, erste Resultate der räumlichen Umsetzung und ein Prototyp des angestrebten Umsetzungstools auf grosses Interesse gestossen. Mit dem Projekt werden die Konflikte zwischen Energieausbau, Biodiversität und Landschaft wohl nicht ganz aufgelöst. Aber sie können hoffentlich so weit wie möglich minimiert werden.

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Urs Neu ist stellvertretender Leiter des Forums ProClim und Leiter der Energiekommission der Akademien der Wissenschaften Schweiz.

Lea Reusser ist Leiterin des Forums Landschaft, Alpen, Pärke (FoLAP).

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Referenzen

[1] Neu U, Ismail S, Reusser L (2024). Ausbau erneuerbarer Energien biodiversitäts- und landschaftsverträglich planen. Swiss Academies Communications 19 (1)

Visualisierung der geplanten alpinen Solaranlage Tschingel Ost oberhalb von Schattenhalb (BE).
Visualisierung der geplanten alpinen Solaranlage Tschingel Ost oberhalb von Schattenhalb (BE).Image: BKW

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