Die Politik muss grüner Technologie den Weg ebnen
ProClim Flash 75
Technologie muss umweltfreundlicher werden. Mit den richtigen politischen Massnahmen kann diese Transformation vorangetrieben werden. Auch Schweizer Unternehmen könnten an vorderster Front mitmischen.
Text: , ETH Zürich und , Berner Fachhochschule
Das Ziel der Schweizer Klimapolitik steht fest: netto null CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050. Welcher Weg dorthin führt, ist allerdings noch nicht klar. Ein jüngst veröffentlichter Bericht der International Energy Agency legt nahe, dass mit den existierenden grünen Technologien, zusätzlichem Recycling und Verhaltensänderungen der Gesellschaft das gesteckte Ziel kaum zu erreichen ist. Gefragt sind neue grüne Technologien, die kein CO2 mehr emittieren, sei es bei der Stromerzeugung, im Bereich der Mobilität oder beim Heizen von Gebäuden.
Doch die Erforschung und Entwicklung solcher Technologien ist ins Stocken geraten. Dies zeigen weltweit erhobene Zahlen für neu eingereichte Patente der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). So stagnierten seit 2011 die Anmeldungen für Patente für fast alle Bereiche grüner Technologie – und seit 2016 sind sie sogar leicht rückläufig. Auch im Vergleich zur generellen Patentaktivität haben grüne Technologien zuletzt an Bedeutung eingebüsst; 2018 waren noch 9,5 Prozent der Patente auf grüne Technologien zurückzuführen. Patentanmeldungen sind ein verlässlicher Indikator, um die Entwicklung neuer Technologien vorauszusagen. Der negative Trend deutet darauf hin, dass es für Unternehmen schwieriger und kostspieliger geworden ist, grüne Technologien zu erforschen und zu entwickeln. Gründe dafür könnten unter anderem schlechte politische Rahmenbedingungen sowie fehlende Marktanreize sein.
Wie sich gute Rahmenbedingungen auswirken können, konnte ab 2005 in den USA beobachtet werden: Mit der Einführung politischer Fördermassnahmen kam es dort zu einem Entwicklungsschub bei den grünen Technologien. Und: Unternehmen in diesem Bereich wurden fortan von den Finanzmärkten auch positiver bewertet.1
Die USA befindet sich heute unter den zwölf führenden Ländern, die Patente für Technologie zur Eindämmung des Klimawandels hervorbringen. Nicht auf dieser Liste vertreten ist die Schweiz. Dabei hätte sie die besten Voraussetzungen, um ganz vorne mitzumischen: Spitzenforschung, spezialisierte Unternehmen und sehr gut ausgebildete Fachkräfte.
Die Schweiz darf den Anschluss nicht verpassen
Lohnen sich Massnahmen zur Förderung grüner Technologien für die Schweiz? Oder soll sie einfach abwarten und lediglich den Wissenstransfer fördern, um bewährte Technologien aus dem Ausland zu übernehmen? Dadurch entfiele für Schweizer Unternehmen ein grosser Teil der Kosten für Forschung und Entwicklung.
Letztere Strategie erscheint zwar auf den ersten Blick attraktiv, längerfristig gesehen hätte sie aber Nachteile. Denn wie in einer Studie gezeigt werden konnte, ist der Wissenstransfer in diesem Bereich nicht einfach, weshalb der Aufbau von eigenem Wissen für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit von zentraler Bedeutung ist.2 Das ist auch eine Voraussetzung, damit Schweizer Firmen in Zukunft von den entstehenden Märkten profitieren können. Darum sollten Bund und Kantone günstige Rahmenbedingungen für hiesige Cleantech-Firmen schaffen. Sonst werden diese von der internationalen Konkurrenz abgehängt. Nur mit den geeigneten Rahmenbedingungen sind Unternehmen bereit, Risiken einzugehen und vermehrt Geld für Forschung und Entwicklung in die Hand zu nehmen.
Ein Mix von Massnahmen ist gefragt
Öffentliche Massnahmen zur Förderung von grünen Technologien können über zwei Kanäle wirken: zum einen, indem direkt die Entwicklung grüner Technologien gefördert wird, zum anderen, indem die Nachfrage nach diesen Technologien angeregt wird. Um rasche Effekte zu erzielen, ist es sinnvoll, Massnahmen auf beiden Seiten zu ergreifen.3, 4, 5
Bei der Förderung der Entwicklung neuer Technologien gilt es, den Aufbau von Know-how weiter voranzutreiben, beispielsweise indem Fördergelder bereitgestellt werden. Weiter sollten Forschungs- und Entwicklungskooperationen zwischen Firmen untereinander und zwischen Hochschulen und der Privatwirtschaft gefördert werden.
Um die Nachfrage zu fördern, eignen sich beispielsweise Regulierungen, Lenkungsabgaben, Emissionshandelssysteme, Labels oder Informationsmassnahmen. Dies führt zu einer grösseren Verbreitung bereits bestehender grüner Technologien und stimuliert damit auch die Entwicklung neuer Technologien in diesem Bereich.
Massnahmen aufeinander abstimmen
Wie sich verschiedene Massnahmen in der Praxis auswirken würden, wurde in einer Studie untersucht. Dazu sind Unternehmen verschiedener Branchen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt worden.
Die Studie zeigte unter anderem, dass sich Massnahmen wie Lenkungsabgaben, freiwillige Vereinbarungen oder Subventionen positiv auf die Einführung von umweltfreundlichen Energietechnologien in Unternehmen auswirken.6 So könnten zum Beispiel Abgaben auf fossilen Brennstoffen, Vereinbarungen zur Energiesenkung einer Branche und die staatliche Förderung von Photovoltaik dazu beitragen, dass sich ein Unternehmen entscheidet, eine Solaranlage auf ihr Dach zu installieren.
Jedoch ist diese Umstellung mit hohen Kosten verbunden. Das Geld, das zum Kauf der Solaranlage verwendet wurde, fehlt nun aber anderswo im Unternehmen. So können Massnahmen, welche die Einführung umweltfreundlicher Technologien zum Ziel haben, indirekt auch die Entwicklung neuer umweltfreundlicher Technologien negativ beeinflussen.
Soll sowohl die Einführung als auch die Entwicklung grüner Technologien in Unternehmen gefördert werden, so empfehlen sich Massnahmen, die auf beiden Seiten greifen: So können beispielsweise Steuern auf fossilen Energien bewirken, dass ein Unternehmen auf eine umweltfreundliche Technologie umsteigt. Da dadurch aber die finanziellen Mittel geschmälert werden, ist es wichtig, dass zusätzlich die Forschung und Entwicklung in Unternehmen finanziell – etwa durch Subventionen – gefördert wird.7
In der Schweiz finanzieren die Firmen 87 Prozent ihrer Kosten für Forschung und Entwicklung aus unternehmensinternen Mitteln.8 Gerade in der jetzigen Zeit, in der viele Unternehmen noch unter den negativen Auswirkungen der Pandemie leiden, gilt es darauf zu achten, dass wirtschaftspolitische Massnahmen gezielt kombiniert werden. So können Schweizer Unternehmen in Zukunft ganz vorne mit dabei sein, wenn es um die Entwicklung neuer und zukunftsfähiger grüner Technologien geht.
Referenzen
1Dechezleprêtre A, Muckley C B, Neelakantan P (2021) Does the Market Value Clean Innovation? Evidence from US Listed Firms. In: Dorsman B A, Atici Baris K, Ulucan A, Baha Karan M (eds.). Applied Operations Research and Financial Modelling in Energy, Springer Nature, Switzerland, 2021.
2Stucki T, Woerter M (2017) Green inventions: Is wait-and-see a reasonable option? Energy Journal, 38(4), 43–68.
3Costantini V, Crespi F, Palma A (2017) Characterizing the policy mix and its impact on eco-innovation: A patent analysis of energy-efficient technologies. Research policy, 46(4), 799-819.
4Rogge K S, Schleich J (2018) Do policy mix characteristics matter for low-carbon innovation? A survey-based exploration of renewable power generation technologies in Germany. Research Policy, 47(9), 1639-1654.
5Wilts H, O'Brien M (2019) A policy mix for resource efficiency in the EU: key instruments, challenges and research needs. Ecological economics, 155, 59-69.
6Woerter M, Stucki T, Arvanitis S, Rammer C, Peneder M (2017) The adoption of green energy technologies: The role of policies in Austria, Germany, and Switzerland. International Journal of Green Energy, 14(14), 1192–1208. Retrieved from https://doi.org/10.1080/15435075.2017.1381612
7Stucki T, Woerter M, Arvanitis S, Peneder M, Rammer C (2018) How different policy instruments affect green product innovation: A differentiated perspective. Energy Policy, 114 (November 2017), 245–261.
8BFS (Bundesamt für Statistik) (2021) Intramuros F+E-Aufwendungen, nach Finanzierungsquelle, 2000-2019, Forschung und Entwicklung (F+E) in der Privatwirtschaft, Neuchâtel.