Unterwegs für den Klimaschutz
ProClim Flash 75
Diesen Sommer war eine Gruppe von Forschern, Journalistinnen und weiteren Fachleuten zu Fuss in der Schweiz unterwegs. Gemeinsam haben sie die Situation rund um den Klimawandel erkundet und darüber berichtet.
Text: , OST Ostschweizer Fachhochschule, Rapperswil
Der Basler Architektursoziologe Lucius Burckhardt sagte einmal, dass wir beim Wandern Eindrücke sammeln, die wir zuhause zu einer Perlenkette zusammensetzen, die wir dann Landschaft nennen. Dieses schöne Bild passt gut zum Projekt «Klimaspuren». Unter diesem Namen machte sich im Sommer 2021 eine Kerngruppe von fünf Forschenden, Journalisten und Fachleuten für eine Wanderung quer durch die Schweiz auf. Ihr Ziel war, die Situation rund um den Klimawandel in unserem Land zu erkunden und darüber zu berichten. Bei diesem Projekt, in dessen Rahmen im Juni und Juli 2021 zwischen Graubünden und Genf rund 70 Orte besucht wurden, ging es um Klimaprotest und Klimaschutz. Also um das Thematisieren der Klimakrise ebenso wie dessen, was dagegen getan werden kann. Tag für Tag begleiteten rund 20 bis 40 Interessierte die Wandergruppe, insgesamt waren es am Ende über 700 Mitwandernde.
Netto Null ist möglich
«Klimaspuren» war eine Forschungsreise im ureigensten, klassischen Sinne, zu Fuss und mit wachen Augen und Ohren in der Landschaft unterwegs. Besucht wurden Einzelpersonen, Gruppierungen und Institutionen, die über ihre Erfolge, Misserfolge und auch ganz generell ihre Erfahrungen im Klimaschutz berichteten. Die Klimaspuren-Kerngruppe dokumentierte das Gesehene und Gehörte in Schrift, Bild und Ton. Seit Mitte November liegt der Dokumentarfilm «Auf Klimaspuren» von Enrico Fröhlich vor. Ein Buch über die Ergebnisse der «Klimaspuren» wird im Frühling 2022 im Hochparterre-Verlag erscheinen. Ein bemerkenswertes Resultat des Projektes ist die Erkenntnis, dass es durchaus möglich ist, netto null Treibhausgasemissionen zu erreichen. Selbstredend sind dazu grosse Anstrengungen nötig, aber es gibt keinen triftigen Grund, der das Erreichen dieses Ziels verunmöglichen würde. Das betrifft das klimavernünftige Bauen ebenso wie die klimaintelligente Mobilität, die klimaverträgliche Landwirtschaft, den klimabewussten Konsum oder eine neue Ethik des Schweizer Finanzplatzes. Besonders hervorzuheben sind Null- und Plus-Energiebauten, die in der ganzen Schweiz immer häufiger realisiert werden. Ebenso Projekte, mit denen Landwirte und Landwirtinnen auf die Herausforderungen des Klimawandels reagieren.
Alle Bevölkerungsschichten mitnehmen
Deutlich wurde im Gespräch mit vielen engagierten Menschen landauf, landab, dass das alles nicht zu erreichen sein wird, ohne die Bevölkerung in die Klimazukunft mitzunehmen. Erreicht werden müssen insbesondere jene sozialen Schichten und Segmente, die nicht in der Lage sind, die finanziellen Folgen des Klimaschutzes individuell zu tragen. Aber auch Bewohnerinnen und Bewohner ruraler Regionen, die vielleicht weniger bereit sind, ihre Lebensgewohnheiten umzustellen als jene in urbanen Gebieten.
Eine sozialwissenschaftlich orientierte Klimaforschung könnte gerade in diesem Bereich wesentliche Beiträge leisten, um das gegenwärtige Dilemma zwischen Stadt und Land besser zu verstehen und Auswege aus der politischen Blockade zu finden. Vertieft untersucht werden sollten etwa Möglichkeiten, den Suffizienz-Gedanken besser in der Bevölkerung zu verankern. Oder die Zusammenhänge zwischen den Zukunftsängsten weniger begüterter und bildungsfernerer Schichten und der Zustimmung zum Klimaschutz.
Überhaupt zeigte sich auf «Klimaspuren» deutlich der wichtige Stellenwert der Wissenschaft, wenn es darum geht, das Klimaproblem anzugehen. Sehr häufig sind es Fachleute aus den unterschiedlichsten Forschungsfeldern, die mögliche Antworten auf die Klimakrise erarbeiten. Nationale Initiativen und lokale Projekte stehen häufig mit Forschenden in Kontakt und bauen auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen auf. So beispielsweise aus der Landschaftsforschung, welche zum einen die Auswirkungen des Klimawandels thematisiert und aufzeigt, was dagegen getan werden kann. Und sich zum anderen damit beschäftigt, wie künftiger Klimaschutz umwelt-, natur- und landschaftsverträglich gestaltet werden kann, etwa im Siedlungs- und Verkehrsbereich oder bei der Energieproduktion und -versorgung.
Die Klimakrise erfordert ein grundsätzliches Umdenken in Gesellschaft und Wirtschaft. Angesichts der rasch wachsenden Herausforderungen kommt dieser Prozess in unserem Land viel zu langsam voran. Die Wissenschaft kann und muss hier wesentliche Beiträge leisten, indem sie das Klimathema stärker in den Fokus nimmt. In den etablierten Forschungsschwerpunkten sollen die verschiedenen Aspekte des Klimawandels berücksichtigt werden, sei es in Forschungen zur Landschaftsentwicklung und Baukultur, zur Biodiversität und Gesundheit, zur Landwirtschaft und zum Tourismus oder zum Lebensstil.