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«Die öffentliche Verfügbarkeit von Geninformationen ist für die Forschung unabdingbar.»

Anna Deplazes Zemp zur geforderten Ausweitung des Nagoya-Protokolls

Das Nagoya-Protokoll und die Konvention über die biologische Vielfalt sollen zu einer fairen Nutzung von biologischer Forschung in Ländern des Südens (reich an Biodiversität) wie des Nordens (starke Forschung) beitragen. Nun wird die Ausweitung des Protokolls und der Konvention auf digitale Geninformationen diskutiert. Die Molekularbiologin und Ethikerin Anna Deplazes-Zemp vom Ethikzentrum der Universität Zürich hat an einer Stellungnahme der Akademien der Wissenschaften Schweiz mitgewirkt.

Anna Deplazes Zemp
Image: NCCR Molecular Systems Engineering

Grundsätzlich steht die Schweizer Forschung hinter dem Nagoya-Protokoll und der Konvention. Weshalb wird die Ausweitung auf Geninformationen dennoch entschieden abgelehnt?

Anna Deplazes-Zemp: Das Nagoya-Protokoll wird in der Schweiz akzeptiert und unterstützt, weil man Wert auf Gerechtigkeit legt und die Anliegen des Südens ernst nimmt. Deshalb hält man es für richtig, die Gewinne (aus der Nutzung von genetischen Ressourcen, z.B. Medikamente, die aus Pflanzen oder Tieren gewonnen werden) mit den Ursprungsländern zu teilen. Ob nun aber die Idee, auch die digitalen Gensequenzen unter das Nagoya-Protokoll zu stellen, diesem Ziel förderlich ist, ist mit vielen Fragezeichen versehen.

Was sind denn digitale Gensequenzen?

Digitale Gensequenzen sind einfach der aufgeschriebene genetische Code eines Organismus (Gesamtgenom, einzelner Gene oder Genfragmente). In der Regel werden solche Gensequenzen aus der Forschung in öffentlich zugänglichen Datenbanken deponiert (z.B. GenBank), worüber die Forschenden ihre Forschungsobjekte identifizieren, teilen und austauschen. Der Vergleich solcher Sequenzen ist eine wichtige wissenschaftliche Methode für sehr viele Forschungszweige in den Life Sciences oder auch der Biodiversitätsforschung. Für viele der Forschungsaktivitäten ist die öffentliche Verfügbarkeit unabdingbar und ist dadurch sehr wertvoll.

Und warum sollte man sie nicht unter das Nagoya-Protokoll stellen?

Ein wichtiger Aspekt ist, dass der offene Zugang für alle (Open Access) zu den Sequenzen dann nicht mehr gegeben oder stark eingeschränkt würde. Das kann die Forschung behindern, also zum Beispiel das Entdecken neuer Medikamente oder die Erforschung der Biodiversität. Es ist zu erwarten, dass mit dem Einschluss ins Nagoya Protokoll Nord-Süd-Forschungskollaborationen eher verhindert als gefördert würden, v.a. durch bürokratische Hürden. Die praktische Umsetzung, die digitalen Gensequenzen mit dem Nagoya-Protokoll zu regulieren, stelle ich mir sehr schwierig vor. In unserer Stellungnahme haben wir die Argumente detailliert dargelegt.

Wäre eine andere Art der Gewinnbeteiligung der Ursprungsländer denkbar?

Man könnte sich einen Fonds vorstellen. Gespiesen würde er aus einem Teil der Gewinne aus der Nutzung von genetischen Ressourcen. Die Gelder könnten für den Schutz der Biodiversität in mega-diversen Ländern eingesetzt werden. Der Fonds könnte zumindest eine monetäre Abgeltung sicher stellen. Allerdings beinhaltet das Nagoya-Protokoll auch das Teilen von nicht-monetärem Nutzen, was der Fonds nicht abdecken könnte. Momentan wird ein solcher Fonds aber auf politischer Ebene nicht als Alternative diskutiert.

Was ist der nicht-monetäre Nutzen im Zusammenhang mit Nagoya?

Das sind immaterielle Gewinne aus der Forschung. Gerechtigkeit in der Forschung bedeutet, dass man auch diese in Forschungskollaborationen mit Ursprungsländern teilt. Dazu gehören das Teilen von Forschungsergebnissen, die Produktentwicklung gemeinsam anzugehen, Ausbildung und den Technologietransfer in den Ursprungsländern zu unterstützen und auch die Anerkennung zu teilen, die durch Forschung entsteht. Diese Aspekte sind aber nicht nur für Forschung mit genetischen Ressourcen zentral, sondern auch für andere Projekte.

Und die monetären Profite?

Das wären Gewinne aus Produkten, die basierend auf genetischen Ressourcen entwickelt wurden. Solche Forschungs- und Entwicklungsprozesse sind meist sehr langwierig, teuer und mit einem grossen Unsicherheitsfaktor versehen. Um Gewinne durch das Abkommen geltend zu machen, müssen die genetischen Ressourcen erst nach Inkrafttreten des Nagoya-Protokolls aus dem Ursprungsland exportiert worden sein. Und dies in einem Land, das das Protokoll auch ratifiziert hat. Das sind sehr viele Hürden, die man je nachdem umschiffen kann. Es besteht ein Risiko, dass sich die Forschung in eine beschränkte Zahl von Ländern verlagert, die das Nagoya-Protokoll nicht unterzeichnet haben oder bekannt sind für eine «effiziente» Umsetzung des Protokolls. Gewisse Projekte könnten sogar ganz verhindert werden. Darunter würden andere Länder leiden, deshalb darf das Nagoya-Protokoll nicht überfrachtet werden.

Das Gespräch führte Eva Spehn, Forum Biodiversität der Akademie der Naturwissenschaften.

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