Hitzeschutz ist Gesundheitsschutz
ProClim Flash 79
Das Langzeitmonitoring der hitzebedingten Todesfälle in der Schweiz zeigt, dass seit den 1980er- Jahren eine gewisse Anpassung an höhere Temperaturen stattgefunden hat. Mit dem fortschreiten- den Klimawandel und der Zunahme extremer Hitzeereignisse werden Massnahmen zum Schutz der Gesundheit jedoch immer wichtiger.
Text: , Swiss TPH
Hohe Temperaturen gefährden die Gesundheit insbesondere von älteren Menschen, Pflegebedürftigen, Personen mit chronischen Krankheiten, Kleinkindern und Schwangeren. Weitere Risikofaktoren sind das Leben in weniger privilegierten Quartieren und Arbeit bei grosser Hitze. Über 20 Jahre Forschung im In- und Ausland zeigen, dass sich neben den akuten Auswirkungen (z. B. Hitzeschlag, Erschöpfung) bei Hitze vor allem chronische Krankheiten des Herz-Kreislauf- und Atemwegsystems sowie psychische Leiden verschlimmern. Zudem sinkt die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz, und das Risiko für Frühgeburten steigt. An heissen Tagen nehmen darum die Notfalleintritte in den Spitälern zu, und es treten mehr Todesfälle auf. Auswirkungen von Hitze auf das Sterbegeschehen werden in der Schweiz bereits ab Tageshöchsttemperaturen von 25 °C beobachtet, wobei das Risiko für hitzebedingte Sterblichkeit mit jedem zusätzlichen Grad stark ansteigt. Warme Nächte sind besonders für ältere Menschen eine zusätzliche gesundheitliche Belastung.
Eine landesweit durchgeführte, repräsentative Befragung der Bevölkerung (ab 50 Jahren) zum Thema Hitze und Gesundheit im Sommer 2023 zeigte, dass etwa die Hälfte der Menschen sich der Risiken von heissem Sommerwetter für die eigene Gesundheit bewusst ist.1 Im Tessin und in der Westschweiz lag dieser Anteil deutlich höher als in der Deutschschweiz. Mit einfachen Verhaltensempfehlungen können negative Gesundheitsfolgen von Hitze in vielen Fällen verhindert werden. Dazu gehören das Vermeiden körperlicher Anstrengung während der heissesten Tageszeit, das Fernhalten der Hitze vom Körper und viel trinken. Die Befragung ergab, dass die Menschen ab 50 sich zwar über gewisse Schutzmöglichkeiten bei Hitze gut informiert fühlen. Gleichzeitig waren jedoch viele wirksame Verhaltensmassnahmen an heissen Tagen nicht bekannt oder wurden nicht aktiv umgesetzt. Darunter fällt zum Beispiel die Anpassung der Ernährung und Medikamentendosis.
Hitzeaktionspläne: Weniger Todesfälle
Zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung vor Hitze setzen Behörden und andere Akteure seit dem Hitzesommer 2003 vermehrt Massnahmen auf verschiedenen Ebenen um. Neben der Sensibilisierung und Information von Bevölkerung und Gesundheitsfachpersonen gehören dazu auch spezielle Massnahmen während einer akuten Hitzewelle. Diese umfassen beispielsweise die Einführung von Hitzefrühwarnsystemen und den Schutz von besonders vulnerablen Personen. So werden etwa die Arbeitszeiten bestimmter Berufsgruppen angepasst oder älteren Menschen wird mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Eine weitere Massnahmenebene betrifft Bemühungen zur langfristigen Anpassung an die zunehmende Hitzebelastung. Dazu gehören Massnahmen zur Reduzierung der Hitzebelastung in Städten und Gebäuden.
Für einen wirksamen Hitzeschutz müssen verschiedene Akteurinnen und Akteure zusammenarbeiten. In einigen Westschweizer Kantonen und im Tessin koordiniert das Kantonsarztamt bereits die Präventionsmassnahmen von verschiedenen Behörden und Institutionen im Gesundheits- und Sozialbereich anhand von Hitzeaktionsplänen. Solche Pläne wurden schon bald nach dem Hitzesommer 2003 eingeführt und regeln die Umsetzung von Massnahmen vor und während dem Sommer. Sind Kommunikationswege und Mechanismen vorgezeichnet, ist schnelles Handeln möglich, wenn sich eine Hitzewelle ankündigt. Die Forschung zeigt, dass Regionen, die über Hitzeaktionspläne verfügen, weniger Todesfälle infolge Hitze verzeichnen.
Über 500 Hitzebedingte Todesfälle in 2023
Zur langfristigen Überwachung der Auswirkungen von hohen Temperaturen auf die Gesundheit erfasst das Bundesamt für Umwelt mit dem Bundesamt für Gesundheit seit 2023 die hitzebedingten Todesfälle im Rahmen eines Monitorings (siehe Artikel S. 16).2 Unter Berücksichtigung der gemessenen Tagesmitteltemperatur werden jedes Jahr die Todesfälle geschätzt, die auf die Hitze zurückzuführen sind. Für den Sommer 2023 wurden über 500 Todesfälle ermittelt. Die meisten hitzebedingten Todesfälle traten in der Altersgruppe der 75-Jährigen auf, und Frauen waren mit über 60% der hitzebedingten Todesfälle häufiger betroffen als Männer.
Der Blick auf die bis ins Jahr 1980 rückwirkend publizierte Zeitreihe der hitzebedingten Todesfälle zeigt, dass die hitzebedingte Sterblichkeit zwischen 1980 und 2023 nicht parallel zur mittleren Sommertemperatur in der Schweiz zugenommen hat (siehe Abbildung). So fällt die hitzebedingte Sterberate mit sechs Todesfällen je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohnern in 2023 trotz zunehmender Alterung der Bevölkerung tiefer aus als in früheren Jahren. Insbesondere an Tagen mit moderat heissen Tagesmitteltemperaturen werden heutzutage weniger hitzebedingte Todesfälle festgestellt als früher. Diese Beobachtung weist auf eine gewisse Anpassung der Gesellschaft an die steigenden Sommertemperaturen hin. Dabei kann es sich um eine physiologische Anpassung handeln oder um die präventive Wirkung von Hitzeschutzmassnahmen.
Einbinden von Risikogruppen
Angesichts extremer werdenden Hitzeereignissen sind Massnahmen zum Schutz der Gesundheit vor Hitze immer wichtiger. Zur Gewährleistung der Akzeptanz und Wirksamkeit von Massnahmen ist die direkte Einbindung von Risikogruppen bei der Entwicklung von Sensibilisierungskampagnen und Ausarbeitung von Handlungsmöglichkeiten empfehlenswert. Wichtig im Umgang mit dem Klimawandel ist der Grundsatz «health in all policies», also die Berücksichtigung von gesundheitlichen Aspekten bei allen politischen Entscheidungen. Denn für effizienten Hitzeschutz braucht es Lösungsansätze in der Gestaltung unserer Städte, unserer Gebäude sowie im Lern- und Arbeitsalltag. Verhältnispräventive Strategien, welche die Veränderungen des Lebens- und Arbeitsumfeldes berücksichtigen, tragen massgeblich zum Erhalt und zur Erhöhung der Lebensqualität bei.
_
Martina S. Ragettli ist Epidemiologin und Projektleiterin am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH).
_
Referenzen
[1] Martucci et al. Hitzekompetenz der Bevölkerung 50+ in der Schweiz: Wissen, Betroffenheit, Handeln im Sommer 2023, März 2024. Im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und Bundesamt für Umwelt (BAFU).
[2] Ragettli et al. Monitoring hitzebedingte Todesfälle: Sommer 2023. Impact-Indikator «Hitzebedingte Todesfälle». Juli 2024. Im Auftrag des BAFU und BAG.