Genome Editing am Menschen - Hoffnungen oder Hybris?
Genome Editing bezeichnet die jüngste Generation gentechnischer Verfahren, darunter das Werkzeug CRISPR/Cas9, dessen Entdeckung 2020 mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Die Anwendung von Genome Editing am Menschen weckt Hoffnungen auf neue medizinische Therapien. Mit der Möglichkeit von Keimbahninterventionen, also dauerhaften, vererbbaren Eingriffen in das menschliche Genom, stellen sich aber auch grundsätzliche ethische Fragen. Der TAB-Arbeitsbericht Nr. 191 bietet einen aktuellen, interdisziplinären Überblick über die umfangreiche Diskussion zum Thema Genome Editing am Menschen.
Keimbahneingriffe werden durch Genome Editing erst ermöglicht. Auf sie richtet sich der Fokus der öffentlichen Diskussion. Die Zahl realistischer Anwendungsszenarien ist jedoch sehr gering, die Ungewissheit bezüglich ihrer Realisierungsmöglichkeiten groß. Die allermeisten Fachleute sehen die Voraussetzungen für solche Eingriffe bisher als nicht gegeben an, auch wenn sie etwa vom Deutschen Ethikrat nicht prinzipiell abgelehnt werden. Sollte in Deutschland die Regulierung der Forschung an Embryonen geändert werden, müsste dem eine breite gesellschaftliche Debatte und Meinungsbildung vorausgehen. Auf internationaler Ebene könnte auf eine Beobachtung und Begleitung der Forschung zu Keimbahneingriffen durch kompetente Institutionen hingewirkt werden.
Anwendungen an somatischen Zellen, also gen- und zellbasierte Therapien an Zellen, die nicht Teil der Keimbahn sind, werden bisher vor allem in Fachkreisen diskutiert, erste klinische Studien sind gestartet. Durch den zielgenaueren Einbau von Genen ins Genom sollen die Therapien effizienter und sicherer werden, außerdem lassen sich Erkrankungen adressieren, die sich mit bisherigen Gentherapien nicht behandeln lassen (z. B. Huntington-Krankheit). Der (in)effiziente Gentransfer stellt allerdings weiterhin eine Herausforderung dar, zudem kann es zu unbeabsichtigten Schäden im Genom (am Zielort – on target – oder an anderen Stellen als der eigentlichen Zielsequenz – off target) und zu Immunreaktionen kommen. Die voraussichtlich weiterhin hohen Kosten werfen die Frage des gerechten Zugangs zu diesen Gentherapien auf. Um ihn zu erleichtern, könnten bestehende Erstattungsmodelle durch erfolgsabhängige Modelle ergänzt werden, zudem wäre die Wirkung von Innovationsanreizen auf die Arzneimittelentwicklung für seltene Erkrankungen genauer zu untersuchen. Als Optionen der Forschungsförderung werden im Bericht neben öffentlichen Mitteln auch indirekte Ansätze wie die Gewährung von Steuervorteilen für FuE-Investitionen sowie Mega-Fonds-Modelle zur Finanzierung risikoreicher, aber möglicherweise hochprofitabler Vorhaben diskutiert.