Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf unsere Gesundheit
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Der Klimawandel ist nicht nur ein Problem für künftige Generationen. Er ist bereits heute eine globale Krise, die unsere Gesundheit bedroht – auch in der Schweiz.
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Der Klimawandel gilt als die grösste globale Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts. Die fortschreitende Erwärmung des Planeten als Folge des kontinuierlichen Ausstosses von Treibhausgasen führt zu noch nie dagewesenen Veränderungen, die die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen stark beeinträchtigen. Ohne ehrgeizige Klimaschutzmassnahmen werden sich die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit in Zukunft voraussichtlich weltweit noch verstärken. Der Klimawandel hat somit das Potenzial, jahrzehntelange Fortschritte im Bereich der Medizin rückgängig zu machen.
Direkte und indirekte Auswirkungen auf die Gesundheit
In den letzten Jahren haben sich die Auswirkungen des Klimawandels beschleunigt, wobei immer mehr extreme Wetterereignisse zur Norm werden und Jahr für Jahr Rekordwerte erreichen. Nach den jüngsten Beobachtungen war 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Temperaturen lagen 1,45 °C über dem Durchschnitt von 1850–1900 (State of the Global Climate 2023, WMO). Jedes Grad Erwärmung führt zu einer raschen Verschärfung klimabedingter Gefahren für die Gesundheit der Menschen. Dazu gehören extreme Hitzewellen, starke Regenfälle und andere extreme Wetterereignisse. Das Funktionieren der Gesundheitssysteme wird dadurch beeinträchtigt.
Zudem werden soziale Ungleichheit, fortschreitende Verstädterung und Überalterung der Bevölkerung die gesundheitliche Belastung durch den Klimawandel weiter verschärfen.1, 2 Die Folgen von urbanen Hitzeinseln auf die menschliche Gesundheit in wachsenden Städten sind besonders verheerend.3, 4 Darüber hinaus sind die Auswirkungen des Klimawandels zwar überall auf der Welt zu spüren, doch das Ausmass der Folgen variiert je nach Bevölkerungsgruppe erheblich. Besonders gefährdete und bereits ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen werden auch in Zukunft unverhältnismässig stark vom Klimawandel betroffen sein, da sie überwiegend in Hochrisikoregionen (d. h. im globalen Süden) leben und sich nur begrenzt anpassen können.5 Schliesslich führen das Bevölkerungswachstum und die fortschreitende Überalterung zu einem grösseren Anteil älterer Menschen, was zu einer deutlich höheren Krankheitslast führt.6 Am stärksten gefährdet sind chronisch Kranke, ältere Menschen, benachteiligte Bevölkerungsgruppen, Kinder, Schwangere und Menschen, die hauptsächlich im Freien arbeiten (Bauerbeiterinnen und Bauarbeiter, Reinigungskräfte, Sicherheitspersonal usw.).7, 8
Extreme Wetterereignisse können sich direkt auf die menschliche Gesundheit auswirken, indem sie das Risiko von Verletzungen, Spitalaufenthalten und Todesfällen erhöhen. Hitze führt beispielsweise zu Dehydrierung und Schwindel bis hin zum Hitzschlag und verschlechtert den Gesundheitszustand geschwächter Personengruppen. Dies kann zu einem erhöhten Sterberisiko und zu Spitalaufenthalten aufgrund von Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und Harnwegserkrankungen sowie psychischen Störungen führen (siehe Artikel S. 10).
Indirekte Auswirkungen entstehen durch Veränderungen der Belastung durch Aeroallergene, der Luftqualität und der Übertragbarkeit von durch Vektoren übertragenen Krankheiten (siehe Artikel S. 24 und Interview S. 8). Der Klimawandel könnte sich auch durch sozioökonomische Störungen auf die Gesundheit auswirken, indem er die landwirtschaftliche Produktion verändert, die Wasser-, Energie- und Lebensmittelversorgung beeinträchtigt und zu Konflikten und Migration führt. So können beispielsweise massive Dürren die Nahrungsmittelproduktion in stark abhängigen Bevölkerungsgruppen (z. B. in afrikanischen Regionen) stark gefährden, was zu Ernährungsunsicherheit führt, Gemeinschaften zur Migration zwingt und tiefgreifende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat.9
Auswirkungen auf die Schweizer Bevölkerung
Auch die Schweiz ist bereits mit deutlichen Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert. Aufzeichnungen von MeteoSchweiz zeigen, dass sich die Schweiz doppelt so stark erwärmt hat wie der globale Durchschnitt. Das letzte Jahrzehnt (2014–2023) war 2,7 °C wärmer im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Insbesondere die steigenden Temperaturen und Hitzewellen in den letzten Jahren haben zu einer erhöhten Sterblichkeits- und Krankheitslast und einer geringeren Arbeitsproduktivität im Land geführt.10–12 Festzustellen sind auch eine veränderte Übertragbarkeit von Infektionskrankheiten (z. B. durch Zecken, Stechmücken), höhere Konzentrationen gefährlicher Luftschadstoffe und Veränderungen der Pollensaison.13
Politische Massnahmen zur Förderung einer proaktiven und wirk-samen Anpassung und zur Verringerung der Treibhausgasemissionen würden das Ausmass der gesundheitlichen Auswirkungen mittel- bis langfristig erheblich verringern und vor allem denjenigen zugute kommen, die einem höheren Risiko ausgesetzt sind. Noch wichtiger ist, dass damit auch andere Umweltgefahren bekämpft werden, was kurzfristig zu erheblichen gesundheitlichen Zusatznutzen und Co-Benefits führt (siehe Artikel S. 14). Eine Verringerung der Luftverschmutzung würde die Sterblichkeits- und Krankheitslast senken (siehe Artikel S. 22).
Mögliche Anpassungsstrategien
Die Entwicklung von Anpassungsstrategien ist ein sehr komplexes Unterfangen, da jede Bevölkerung in Bezug auf ihre Zusammensetzung, ihre Fähigkeit zur Entwicklung von Massnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens und ihren Grad der Gefährdung einzigartig ist. Darüber hinaus ist es aufgrund der komplizierten Beziehung zwischen der Gefahr und den bestehenden Risikofaktoren oder Merkmalen (z. B. Verstädterung) schwierig, die wichtigsten Triebkräfte für die Anpassung zu ermitteln. Sie unterscheiden sich in der Regel von einer Zielgruppe zur anderen.
Anpassungsstrategien sollten daher von multidisziplinären Teams entwickelt und gemeinsam mit den relevanten Interessengruppen erarbeitet werden. Es müssen verschiedene Akteure berücksichtigt werden. Dazu gehören nicht nur politische Entscheidungsträger und Behördenvertreterinnen des öffentlichen Gesundheitswesens, sondern auch Ärzte und Non-profit- und andere Organisationen, die mit den am stärksten gefährdeten Personen arbeiten.
Noch haben wir die Chance
Der Klimawandel ist ein Bedrohungsmultiplikator, der jahrzehntelange gesundheitliche und wirtschaftliche Fortschritte untergräbt und möglicherweise wieder rückgängig macht. Das Ausmass und das Tempo sowie die damit verbundenen Risiken hängen in hohem Masse von kurzfristigen Massnahmen zur Eindämmung und Anpassung ab. Noch haben wir die Möglichkeit, künftigen Generationen eine gerechtere, gesündere und sicherere Welt zu bieten.
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Ana M. Vicedo-Cabrera ist Assistenzprofessorin und Leiterin der Gruppe Klimawandel und Gesundheit an der Universität Bern.
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Referenzen
[1] Chen, K., Vicedo-Cabrera, A. M. & Dubrow, R. Projections of Ambient Temperature- and Air Pollution-Related Mortality Burden Under Combined Climate Change and Population Aging Scenarios: a Review. Curr Environ Health Rep 7, 243–255 (2020).
[2] Zhang, W. et al. Impacts of climate change, population growth, and urbanization on future population exposure to long-term temperature change during the warm season in China. Environmental science and pollution research international 27, 8481–8491 (2020).
[3] Sera, F. et al. How urban characteristics affect vulnerability to heat and cold: a multi-country analysis. International journal of epidemiology 48, 1101–1112 (2019).
[4] de Schrijver, E., Royé, D., Gasparrini, A., Franco, O. H. & Vicedo-Cabrera, A. M. Exploring vulnerability to heat and cold across urban and rural populations in Switzerland. Environ. Res.: Health 1, 025003 (2023).
[5] Méjean, A. et al. Climate change impacts increase economic inequality: evidence from a systematic literature review. Environ. Res. Lett. 19, 043003 (2024).
[6] Chen, K. et al. Impact of population aging on future temperature-related mortality at different global warming levels. Nat Commun 15, 1796 (2024).
[7] Romanello, M. et al. The 2023 report of the Lancet Countdown on health and climate change: the imperative for a health-centred response in a world facing irreversible harms. The Lancet 402, 2346–2394 (2023).
[8] IPCC. IPCC, 2022: Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [H.-O. Pörtner, D.C. Roberts, M. Tignor, E.S. Poloczanska, K. Mintenbeck, A. Alegría, M. Craig, S. Langsdorf, S. Löschke, V. Möller, A. Okem, B. Rama (eds.)]. Cambridge University Press. Cambridge University Press, Cambridge, UK and New York, NY, USA, 3056 pp., doi:10.1017/9781009325844. (2022).
[9] Salvador, C. et al. Public Health Implications of Drought in a Climate Change Context: A Critical Review. Annu Rev Public Health 44, 213–232 (2023).
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[11] Ragettli, M. S., Vicedo-Cabrera, A. M., Schindler, C. & Röösli, M. Exploring the association between heat and mortality in Switzerland between 1995 and 2013. Environ. Res. 158, 703–709 (2017).
[12] de Schrijver, E. et al. Nationwide Analysis of the Heat- and Cold-Related Mortality Trends in Switzerland between 1969 and 2017: The Role of Population Aging. Environ Health Perspect 130, 37001 (2022).
[13] S, G., R, G. & M, E. Multi-decade changes in pollen season onset, duration, and intensity: A concern for public health? The Science of the total environment 781, (2021).