So gelingt eine erfolgreiche Zusammenarbeit
ProClim Flash 73
Die Anpassung an den Klimawandel ist eine Herkulesaufgabe. Um sie zu bewältigen, müssen Akteur*innen aus diversen Fachgebieten zusammenarbeiten. Wie dies erfolgreich gelingen kann, wurde an der ersten Site Visit in Luzern diskutiert.
Text: Gabriele Müller-Ferch, ProClim
Ob hitzeangepasste Stadtentwicklung, Umgang mit Trockenheit oder Hochwasserschutz: Bei der Anpassung an den Klimawandel sind zahlreiche Akteur*innen aus den unterschiedlichsten Fachgebieten involviert. Um die Vernetzung zwischen Wissenschaft und Praxis zu fördern, hat ProClim gemeinsam mit dem Netzwerk für Transdisziplinarität (td-net) im Rahmen des Pilotprogramms Anpassung an den Klimawandel des BAFU ein neues Format entwickelt: die sogenannten Site Visits. Vor Ort wird die Arbeit von jeweils einem oder mehreren Pilotprojekten präsentiert und die Projektverantwortlichen vernetzen sich mit Forschenden aus den betroffenen Fachgebieten sowie mit Fachleuten aus der Region. Ein Querschnittsthema soll bei allen Veranstaltungen wie ein roter Faden durch das Programm führen. Der gelungene Auftakt dieser Veranstaltungsreihe fand Anfang September 2020 in Luzern zum Querschnittsthema Vernetzung statt.
Sich füreinander interessieren
Es liegt auf der Hand: Die Anpassung an den Klimawandel kann nur funktionieren, wenn wir im Netzwerk fachgebietsübergreifend zusammenarbeiten. Aber: Wie gelingt uns das am besten? Welche Herausforderungen erleben wir in der Arbeit im Netzwerk und wie können wir ihnen am besten begegnen? Diesen Fragen widmete sich die erste Site Visit mit Impulsreferaten aus Forschung und Praxis und interaktiven Workshops. Gastgeber war das Pilotprojekt «Hitzeresiliente Agglomeration Luzern». Entsprechend spielte das Thema der hitzeangepassten Stadtentwicklung eine grosse Rolle. Am Nachmittag schauten sich die rund 50 Teilnehmenden auf einem Rundgang das Gebiet «Luzern Süd» genauer an. Fachleute aus dem Städtebau informierten, wie sie mit den konkreten Herausforderungen des Klimawandels umgehen.
«Gerade bei der hitzeangepassten Stadtentwicklung sind viele Akteur*innen involviert. Um so wichtiger ist eine gute Vernetzung untereinander.»
Katharina Conradin, seecon GmbH, Leiterin des Pilotprojektes in Luzern
Wie vielseitig Perspektiven auf die Klimaanpassung sein können, illustrierte die Referentin Antonietta di Giulio von der Universität Basel am Beispiel eines Baums an der Uferpromenade: Er ist Schattenspender und reguliert so die Temperatur. Aus Sicht des Hochwasserschutzes kann er aber auch den Abfluss behindern. Für Biologinnen und Biologen ist er je nach Art ein Beitrag zur Biodiversität oder – wenn eine invasive Art – eine Bedrohung. Aus sozialwissenschaftlicher Sicht kann er Heimatgefühl vermitteln oder Sichtschutz bieten. Leitende von Vernetzungsprojekten sind daher herausgefordert, unterschiedliche Ansichten einzubinden und idealerweise so zusammenzufügen, dass die Summe mehr ergibt als seine Einzelteile. Antonietta di Giulio beschäftigt sich im Rahmen ihrer inter-und transdisziplinären Forschung schon sehr lange mit der Frage, wie man in Netzwerken am besten zusammenarbeiten kann. Für sie ist wichtig, dass man sich für die anderen interessiert; dass man wirklich wissen will, wie andere denken und sie in ihrem Wissen ernst nimmt. Und auch, dass man nicht in erster Linie versucht, die eigene Perspektive durchzusetzen.
Tipps für die Arbeit im Netzwerk
Kurzreferate mit Praxiswissen aus erster Hand gaben zahlreiche Impulse mit Beispielen aus Gemeinden, der Stadtplanung oder der Politik. Die interaktiven Workshops gaben Raum für den Erfahrungsaustausch und es wurde über Herausforderungen, Erfolgsfaktoren, Lösungsansätze und den Mehrwert bei der Arbeit im Netzwerk diskutiert.
Die Klimaanpassung bedarf einerseits des Einbezugs verschiedenster Akteurinnen und Akteure, um gesellschaftsrelevante Lösungen zu erarbeiten. Andererseits muss die Koordination all dieser Personen mit unterschiedlichen Sprachen, Zielen und Zeitbudgets machbar bleiben. Aus der Diskussion ergaben sich unter anderem folgende Strategien:
- Mut zur Qualität statt Quantität: mit klaren Fragen gezielt nur auf ausgewählte Akteur*innen zugehen.
- Mut zum Delegieren: Um Netzwerkarbeit und Tagesgeschäft unter einen Hut zu kriegen, die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen im Team klären. Besonders dort in Vernetzung investieren, wo im Team Wissen und Kompetenzen fehlen.
- Aber auch Mut zur Anfangsinvestition: Die Arbeit im Netzwerk wird zu Projektbeginn als besonders wichtig erachtet – sich Zeit nehmen für eine Bedürfnisanalyse, einen gemeinsamen Wissensaufbau und der Identifikation gemeinsamer Wertvorstellungen. Solche Anfangsinvestitionen lohnen sich. Ebenso das frühzeitige Diskutieren von konfliktreichen Themen.
Erfolgsfaktoren bei der Arbeit in einem projektspezifischen Netzwerk sind beispielsweise «Quickwins» (schnell sichtbare Resultate); eine gute Moderation sowie verbindende Elemente wie eine gemeinsame Vision und Mission.
Die zahlreichen Inputs der Teilnehmenden sind in einem kleinen Werkzeugkasten als «Tipps für die Arbeit im Netzwerk» zusammengestellt. Kennt man mögliche Stolpersteine und entsprechende Strategien damit umzugehen, kann manches einfacher gelöst oder wenigstens besser akzeptiert werden.
Vernetzung als Erfolgsfaktor
Aus der Veranstaltung kann folgendes Fazit gezogen werden: Gut funktionierende Netzwerke sind absolut zentral, um die Anpassung an den Klimawandel erfolgreich zu meistern. Es braucht mehr Gefässe, wo Wissenschaft, Verwaltung und Praxis zusammenkommen, damit ein Wissensaustausch und eine Vernetzung stattfinden kann. Um voneinander zu lernen, benötigt es Interesse an anderen Perspektiven und eine Offenheit nicht nur gegenüber neuen Ideen und Konzepten, sondern auch gegenüber möglichen Fehlern. Ziel ist es, durch die Zusammenarbeit einen Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen. Dafür braucht es eine Moderation und Gestaltung des Prozesses. So kann Wissen zusammengeführt werden.
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