193 Regierungen aus aller Welt einigten sich 2015 in Paris darauf, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad, wenn möglich auf 1,5 Grad Celsius, gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Was das bedeutet, zeigt der Weltklimarat, das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), in einem heute veröffentlichten Sonderbericht auf. Das IPCC hat dazu die wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema umfassend beurteilt.
Der Bericht zeigt, dass ein zusätzlicher Anstieg der globalen Temperatur um lediglich ein halbes Grad die Folgen der Erwärmung erheblich verstärkt. Die Hitzeextreme sind bei einer Erhöhung um 2 Grad in allen bewohnten Gebieten deutlich stärker als bei 1,5 Grad. Dasselbe gilt für Starkniederschläge in den meisten Regionen und für massive Dürren in einigen Gebieten. Auch die negativen Folgen für die Biodiversität und die Ökosysteme sowie für Gesundheit und Infrastrukturen wären gravierender. «Mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad statt 2 Grad lassen sich viele negative Auswirkungen des Klimawandels vermeiden, wie neuere Studien zeigen», sagt ETH-Klimaforscherin Sonia Seneviratne, Leitautorin des Sonderberichts. Sie betont: «Wir sind heute weltweit bereits bei einer Erwärmung von 1 Grad. Und die Auswirkungen sind schon deutlich spürbar. Das hat der Sommer 2018 an vielen Orten auf der Welt und nicht zuletzt in der Schweiz gezeigt.»
Tiefgreifender Umbau und negative Emissionen
Um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, müssen die Energieversorgung, die Industrie oder städtische Räume laut IPCC-Bericht in den nächsten beiden Jahrzehnten tiefgreifend umgebaut werden. Unabdingbar ist zudem sofortiges Handeln ohne Aufschieben. Auch grosse Anpassungen beim Verhalten und Lebensstil der Gesellschaft sind unumgänglich. «Viele dieser Veränderungen haben über die Wirkung aufs Klima hinaus einen weiteren Nutzen und tragen zum Erreichen anderer globaler Nachhaltigkeitsziele bei», betont Andreas Fischlin, Vizevorsitzender der Arbeitsgruppe II des IPCC und Prüfeditor des Berichts. Ob eine solche Entwicklung in der kurzen Zeit überhaupt möglich sei, könne man nur schwer abschätzen, meint Fischlin. «Entwicklungen in der Gesellschaft können sehr rasch ablaufen. Auch wenn die bisher angekündigten Massnahmen der Länder noch bei weitem nicht ausreichen, kann bei einem gezielten und stetigen Umbau die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze gelingen.»
Verzögertes Handeln erhöht dagegen nicht nur die Folgerisiken. Es schränkt auch den Spielraum für Politik und Gesellschaft ein und erhöht die Notwendigkeit negativer Emissionen. Ein einmal erreichtes Temperaturniveau wird ohne massive negative Emissionen über Jahrhunderte bis Jahrtausende bestehen bleiben. Negative Emissionen können durch technische und biologische Systeme erzielt werden, die bereits ausgestossenes CO2 wieder aus der Luft entfernen. Ein von ProClim, dem Klimaforum der Akademie der Naturwissenschaften, ebenfalls heute veröffentlichtes Faktenblatt zeigt jedoch (wie auch der IPCC Sonderbericht), dass hier noch viele Fragen offen sind.
Die Schweiz spielt eine wichtige Rolle
Die Schweiz kann im Verhältnis zu ihrer Grösse eine wichtige Rolle spielen. «Die Schweiz hat eine lange Tradition bezüglich Innovationen, und ein Umbau bietet viele Chancen», betonen Seneviratne und Fischlin, «wie beispielswiese die Entwicklung klimafreundlicher Technologien, die sich exportieren lassen.» Auch die Finanzbranche kann eine Vorreiterrolle übernehmen, indem sie etwa als ersten Schritt die Klimawirkung von Finanzinstrumenten transparent macht. «Die Richtung, in die die ganze Welt gehen muss, wenn sie den Klimawandel überhaupt stoppen will, ist klar: netto null CO2-Emissionen», sagt Reto Knutti, Klimaforscher an der ETH und Präsident von ProClim. «Das gilt unabhängig davon, ob wir letztlich die Erwärmung auf 1,5, 2 oder 3 Grad begrenzen. Je schneller wir auf Null sind, umso geringer der Klimawandel und seine Auswirkungen.»