Dieses Portal bietet Basiswissen zum Thema Astronomie und zeigt aktuelle Forschungsarbeiten und -kooperationen in der Schweiz auf.

Image: ESO

Von Hitzeinseln zu artenreichen Hotspots

ProClim Flash 73

Städte heizen sich im Sommer besonders stark auf. Welche Möglichkeiten gibt es, sie zu kühlen und gleichzeitig artenreicher zu machen? Zwei Expertinnen aus Basel, das besonders unter dem Klimawandel leidet, geben Auskunft.

Um wieviel Grad kühlt ein Baum seine Umgebung ab? Eine Übersicht der wirksamsten Massnahmen zur Hitzeminderung im städtischen Raum am Tag: Wieviel kühlt welche Massnahme und wie weit wirkt diese? (ProClim Flash 73)
Image: Stadt Zürich, Grafik: Hannah Ambühl, ProClim

Im Interview: Yvonne Reisner, Stadtgärtnerei Basel und Katharina Schmidt, Christoph-Merian-Stiftung

Text: Ursula Schöni, Forum Biodiversität Schweiz

Yvonne Reisner, Basel ist besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen. So zeigt eine Modellierung, dass die von Hitze betroffenen Gebiete bis 2030 stark zunehmen werden. Rund zwei Drittel des Siedlungs- und Gewerberaums wären dann von Hitze und Trockenheit betroffen, auch nachts. Welche Massnahmen schlagen Sie vor, um diesen Herausforderungen zu begegnen?

Yvonne Reisner (YR): Mit mehr Vegetation können wir einen kühlenden Effekt erreichen. Dies geschieht, weil über die Blätter Wasser verdunstet. Man kann Bäume pflanzen, Dächer und Fassaden begrünen und Flächen entsiegeln. Wasser ist ebenfalls ein zentrales Element. Ich denke hier beispielsweise an offene Wasserflächen. Weiter müssen wir dafür sorgen, dass kühle Luft aus dem Umland oder den Wäldern in das Stadtgebiet fliesst. Dies sollte bei der Stadtplanung beachtet werden, indem beispielsweise offene Schneisen geschaffen werden.

Wie sieht eine Siedlungsbegrünung aus, die nicht nur die Hitze lindert, sondern auch einen Beitrag zur Biodiversität leistet?

YR: Wichtig ist ein vielseitiges Artenspektrum – sowohl bei Bäumen und Stauden als auch bei Wiesen. Vielen einheimischen Arten bereitet die Hitze in der Stadt jedoch Mühe. Deshalb setzt die Stadtgärtnerei in Parkanlagen nebst einheimischen auch auf gebietsfremde Baumarten, da diese besser mit der Hitze zurechtkommen. Diese Durchmischung sorgt für ein reichhaltiges Blütenangebot, was wiederum die Insektenvielfalt begünstigt. Auch mit anderen Massnahmen versuchen wir, vielfältige Lebensräume für Insekten und andere Tiere zu schaffen. So machen wir beispielsweise immer wieder Heuansaaten von Wiesen, die hier in der Stadt schon seit Jahrzehnten gedeihen. Würden wir das Saatgut nur aus dem Handel beziehen, hätten wir dieselben Wiesen wie überall sonst in der Schweiz. Die genetische Vielfalt nähme mit der Zeit ab.

Frau Schmidt, Sie arbeiten als Projektleiterin bei der Christoph-Merian-Stiftung. Im Rahmen des Projektes «Siedlungsnatur gemeinsam gestalten» möchten Sie am Beispiel der Wohnüberbauung Sesselacker aufzeigen, wie Aussenräume als Lebens- und Erholungsraum für Pflanzen, Tiere und Menschen aufgewertet werden können. Wo sehen Sie Potenzial?

Katharina Schmidt (KS): Die Bepflanzung im Sesselacker wirkt auf den ersten Blick sehr grün und auch vielfältig. Erst beim genauen Hinschauen erkennt man das Potenzial: Staudenrabatten könnten mit einheimischen Arten aufgewertet werden, zusätzliche Sträucher würden die Diversität erhöhen und neu angelegte Ast- oder Steinhaufen Tieren Unterschlupf gewähren. Solche Umgestaltungen bieten sich an, wenn bei Gebäudesanierungen sowieso Eingriffe im Aussenraum vorgenommen werden.

Wo und weshalb gibt es Hürden?

KS: Gerade bei grossen Siedlungen können solche Aufwertungen ins Geld gehen. Das lohnt sich für die Eigentümerschaft nicht, da sie diese nicht auf die Mieten schlagen können. Zudem gilt es, die Bewohnerinnen und Bewohner erst einmal für eine wilder wirkende Umgebung zu gewinnen. Das braucht Überzeugungsarbeit. Und es ist wichtig, sie in den Gestaltungsprozess miteinzubeziehen.

Nebst Umgestaltungen im Aussenraum gibt es ja auch Möglichkeiten, am Gebäude selber Anpassungen vorzunehmen. Beispielsweise kann ein Flachdach begrünt werden: Wie wird das idealerweise gemacht?

YR: Zum einen gibt es die Möglichkeit einer extensiven Begrünung – also einer naturnahen Vegetation, die sich weitgehend selbst erhält und wenig Pflege erfordert. Alternativ dazu wäre eine intensive Begrünung mit Stauden, Sträuchern oder sogar Bäumen. Dadurch könnte ein grösserer Kühlungseffekt erreicht werden. Eine solche Bepflanzung erfordert jedoch eine entsprechende Statik des Dachs und eine intensivere Pflege, gegebenenfalls auch eine Bewässerung. Auf vielen Dächern wird auch Sonnenstrom produziert. In diesem Fall muss die Begrünung gut auf die Anforderungen der Solaranlage abgestimmt werden. Um Solarpaneele nicht zu beschatten, legt man deshalb oft eine extensive Begrünung an.

Auch die Flachdächer im Sesselacker sind begrünt. Wie schätzen Sie deren Qualität ein? Gibt es noch Verbesserungspotenzial?

KS: Auf den Dächern sind extensive Begrünungen, welche sich bewährt haben. Zurzeit klären wir ab, ob eine Solaranlage installiert werden soll. In diesem Fall könnten wir auch die Zusammensetzung der Pflanzen anpassen. Falls statisch möglich, wären sogar kleine Erhöhungen oder Steinhaufen denkbar. So liessen sich vor allem für Insekten neue Lebensräume schaffen.Aber nicht nur bei den Flachdächern hat es Potenzial: Auch bei Fassadensanierungen können wir mit den richtigen Massnahmen zusätzliche Arten ansiedeln.

Dem Wassermanagement kommt im Siedlungsraum eine immer wichtigere Rolle zu. Oft hat es bei starken Niederschlägen zu viel und bei langen Trockenperioden zu wenig Wasser. Welche Überlegungen machen Sie sich hierzu?

YR: Wichtig ist, dass möglichst viel Niederschlagswasser im Boden versickert und nicht in die Kanalisation gelangt. Dafür braucht es genügend grosse Flächen, die nicht versiegelt sind.

KS: Im Sesselacker wird das Regenwasser nicht zurückbehalten. Als die Siedlung in den 60er-Jahren gebaut wurde, war das kein Thema. Die begrünten Flachdächer speichern jedoch das Wasser auf natürliche Weise, somit gelangt dieses nicht in die Kanalisation. Dort, wo die Pflanzen bereits heute unter Trockenheit leiden, können wir mit trockenresistenten Pflanzen reagieren.

Um wieviel Grad kühlt ein Baum seine Umgebung ab? Eine Übersicht der wirksamsten Massnahmen zur Hitzeminderung im städtischen Raum am Tag: Wieviel kühlt welche Massnahme und wie weit wirkt diese? (ProClim Flash 73)
Um wieviel Grad kühlt ein Baum seine Umgebung ab? Eine Übersicht der wirksamsten Massnahmen zur Hitzeminderung im städtischen Raum am Tag: Wieviel kühlt welche Massnahme und wie weit wirkt diese? (ProClim Flash 73)Image: Stadt Zürich, Grafik: Hannah Ambühl, ProClim

Categories

German, French